Montag, 20. März 2017

Bauteilöffnungen

Hält der Sachverständige aufgrund des Aktenstudiums Bauteilöffnungen für erforderlich, sollte er veranlassen, dass diese von der Partei, die befugt ist, solche Bauteilöffnungen vorzunehmen, durchgeführt werden, da dann die Verantwortung für die mit der Bauteilöffnung verbundene Beschädigung bei der Partei selbst liegt. Dies setzt allerdings voraus, dass der Sachverständige der Partei genaue Anweisungen erteilt, in welchem Umfang er Bauteilöffnungen benötigt.
Es empfiehlt sich, dass der Sachverständige an der Bauteilöffnung teilnimmt, um den Parteien die Möglichkeit der Manipulation zu nehmen. Der Sachverständige muss auch darauf achten, dass bei Bauteilöffnungen oder zerstörenden Maßnahmen keine Veränderungen entstehen, die eine Beweisführung verfälschen oder unmöglich machen.
Wenn der Sachverständige an der Bauteilöffnung nicht teilgenommen, aber genaue Anweisungen für eine Bauteilöffnung erteilt hat, geschieht es trotzdem nicht selten, dass die von ihm vor Ort vorgefundenen Verhältnisse nicht dem entsprechen, was er sich vorgestellt hat. In gewissem Umfang sollte der Sachverständige auf eine solche Sachlage vorbereitet sein und jedenfalls so viel
Werkzeug zur Ortsbesichtigung mitbringen, dass er kleinere ergänzende Arbeiten durchführen kann (z. B. Messgeräte, Zeichenunterlagen/Markierungsmaterial). Das ist natürlich jeweils abhängig von den zu untersuchenden Bauteilen. Ist dies aus zeitlichen Gründen oder wegen nicht ausreichenden Materials nicht möglich, so muss der Sachverständige die Ortsbesichtigung abbrechen und
einen neuen Termin anberaumen, wobei er, soweit erforderlich, Schutzmaßnahmen veranlassen muss (etwa bei teilweise abgedeckten Dächern).
Bei Bauteilöffnungen am Eigentum Dritter kommt auch eine Beauftragung durch den Sachverständigen in Betracht. Ebenso kommt es nicht selten vor, dass es den Parteien lieber ist, dass der Sachverständige die Bauteilöffnung beauftragt. In derartigen Fällen hat der Sachverständige zunächst drei Kostenvoranschläge von Fachfirmen einzuholen und nach Eingang und Prüfung dem Gericht mitzuteilen. Das Gericht wird dann die Kostenvoranschläge den Parteien zu deren Ent-
scheidung vorlegen.

Nach einer Entscheidung des OLG Koblenz (vgl. BauR 2002, 828) werden Aufwendungen für Hilfskräfte dem Sachverständigen nur erstattet, soweit er sie bereits getragen hat. Ist der Sachverständige dagegen lediglich einer entsprechenden Verbindlichkeit ausgesetzt, besteht weder ein Entschädigungsanspruch noch ein Freistellungsanspruch gegen die Staatskasse. Der erforderliche Aufwand zur Beauftragung, Einweisung und Überwachung der Hilfskräfte wird dem Sachverständigen ebenfalls erstattet.
Der Sachverständige sollte sich klar machen, dass er nach dieser Entscheidung wegen der Kosten in Vorlage treten muss und einen weiteren Vorschuss anfordern, falls der bisherige Vorschuss zur Deckung dieser Kosten nicht ausreicht. Mitunter sind die Parteien mit Bauteilöffnungen nicht einverstanden und teilen dies dem Sachverständigen bereits vor der Ortsbesichtigung mit. Dies sollte
der Sachverständige zum Anlass nehmen, der Partei - unter Übersendung einer Abschrift für die Gegenseite - mitzuteilen, warum er die Bauteilöffnung für erforderlich hält und warum er ohne eine Bauteilöffnung nicht die Feststellungen treffen kann, die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich sind. Hält die Partei an ihrer Weigerung fest, hat der Sachverständige unverzüglich das
Gericht zu informieren und abzuwarten, was das Gericht als Folge dieser Weigerung veranlasst.
Umstritten ist, ob das Gericht gemäß § 404 a ZPO verpflichtet ist, den Sachverständigen gegen dessen Willen anzuweisen, die zur Herstellung von Bauteilöffnungen erforderlichen Werkverträge abzuschließen. Das OLG Düsseldorf (vgl. BauR 1997, 697) und das OLG Celle (vgl. BauR 2005, 1358) vertreten die Auffassung, dass die sich aus § 404 a ZPO ergebende Verpflichtung zur Leitung des Sachverständigen sich nicht auf Grund und Inhalt des Gutachtenauftrags beschränkt, sondern vielmehr auch die Art und Weise seines etwa bei der Untersuchung des Beweisgegenstandes gebotenen Vorgehens umfasst. Das OLG Brandenburg (vgl. BauR 1996, 432) und das OLG Bamberg (vgl. BauR 2002, 829) halten es dagegen für bedenklich, den Sachverständigen gegen seinen Willen zu zwingen, für die Bauteilöffnung erforderliche Werkverträge im eigenen Namen abzuschließen. Dem kann jedoch dann nicht gefolgt werden, wenn die Parteien die erforderlichen Kosten für die Werkverträge bereits auf Gerichtskonten eingezahlt haben.
Dieser Streit beweist aber einmal mehr, dass der Sachverständige das Risiko auf die Parteien verlagern sollte, wenn die Bauteilöffnungen ihr Eigentum betreffen.

Der Sachverständige muss darauf achten, dass bei Bauteilöffnungen oder zerstörenden Maßnahmen keine Veränderungen entstehen, die eine Beweisführung verfälschen oder unmöglich machen. Um eventuelle Veränderungen an den Konstruktionen nachvollziehen zu können, ist es erforderlich, den Veränderungsverlauf durch Farbfotos oder sonstige Nachweise zu dokumentieren.

©  Marc Husmann   Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.