Freitag, 17. März 2017

Fluor im Trinkwasser


In der Natur tritt Fluor nicht elementar, sondern nur in Form von Verbindungen auf, die überwiegend in Gesteinen zu finden sind. Seine Häufigkeit in der Erdrinde beträgt nach verschiedenen Autoren 0,025 bis 0,1Gew.%. Die Verwitterung fluoridhaltiger Mineralien hat zu einer Fluoridanreicherung Sedimentgesteinen geführt, die zwischen 0,018 und 0,074 Gew.% Fluorid enthalten. In weniger durch fluoridhaltiges Gestein beeinflussten Oberflächenwässern liegen die Fluorkonzentrationen meist zwischen 0,01 und 0,3 mg/L.  Der Fluoridgehalt von Flüssen und Seen liegt allgemein zwischen 0,05 mg/L und 0,5mg/L, der Durch-
schnitt bei 0,15 mg/L F. Meerwasser enthält deutlich mehr Fluorid und wird von verschiedenen Autoren mit 1,0-1,4 mg/L F- angegeben.

In der Nahrung findet sich Fluor in pflanzlichen Nahrungsmitteln, unter anderen besonders in Vollkornprodukten, schwarzen Tee,Nüssen und auch in Seefischen.
Trinkwasser enthält im Allgemeinen wenig Fluorid. Schleyer und Kerndorff (1992) gaben für Deutschland in Abhängigkeit vom Grundwasserleiter Mittelwerte für Trink-
wasserressourcen zwischen 0,1 und 0,18 mg/L an. Nur in 0,3 % der Trinkwasserproben lagen die Fluoridgehalte zwischen 1,2 und 1,5 mg/L. In einigen Teilen der Erde
(Indien, Kenia, Südafrika) sind im Wasser Konzentrationen von 25 mg/L und mehr nachgewiesen worden. So hohe Belastungen haben eine endemische Fluorose zur
Folge. In Mineralwässern kommen vereinzelt Gehalte von mehreren mg/L vor.



Die Bedeutung des Fluorids für den Menschen


Auf die Darstellung akuter Vergiftungen durch Fluorid soll hier verzichtet werden, da sie für die Beurteilung des Fluorids im Trinkwasser keine Bedeutung hat. Beim
Menschen sind zwei Formen der chronischen Fluorwirkung bekannt, nämlich der gesprenkelte Zahnschmelz (mottled enamel) und die Osteosklerose. Der Zusammenhang zwischen dieser Zahnerkrankung der Fluoridaufnahme wurde 1916 in Colorada USA festgestellt und in zahlreichen anderen Ländern bestätigt.

Fluorid wird sehr leicht vom Organismus aufgenommnen und ebenso leicht mit dem Urin wieder ausgeschieden. Etwa 95 bis 98 % des menschlichen Fluorbestandes
von 2 bis 3 g sind in Knochen und Zähnen enthalten. Fluorid wird heute manchmal zu den essenziellen Spurenelementen gezählt, obgleich
seine damit verbundenen spezifischen Funktionen nicht bekannt sind.

Nach neueren Analysen werden den Menschen in fluoridreichen Gegenden 1,7 bis 3,4 mg Fluorid pro Tag und in fluoridarmen Gegenden ca. 1 mg Fluorid zugeführt.
Eine länger andauernde hohe Fluoridaufnahme kann zu Erkrnakungen der Zähne und des Skeletts führen. Eine Dentalfluorose (Schmelzfleckenkrankheit) kann schon
entstehen, wenn Fluoridmengen von 1,5 bis 2 mg F- täglich über lange Zeit aufgenommen werden. Vergleichende Trinkwasser- und Zahnanalysen bei Kindern und
Jugendlichen ließen erkennen, dass Zähne mit höherem F-gehalt weniger kariesanfällig sind. So fand man bei niedrigem Fluoridgehalt des Wassers (0,3-0,5 mg/L F-)
gehäuftes Kariesvorkommen. Aber schon in Gebieten mit mehrals ungefähr 1 mg/L F- im Trinkwasser ist dagegen die Fluoridzufuhr zu reichlich, weshalb es zur Bildung
des gefleckten Zahnschmelzes kommen kann. Es werden nur die bleibenden Zähne der wachsenden Individuen angegriffen. Der Schmelz verliert stellenweise oder
diffus seine normale Transluzenz, wird trüb weißlich und sieht wie Kreide aus. Dieser Effekt zeigt sich schon beim Zahndurchbruch. Im defekten Schmelz wird eine
dunkle Substanz abgelagert, er ist brüchig, die Zähne sind weniger wiederstandsfähig und werden rasch abgenutzt. Fluorid bewirkt dabei,dass Hartsubstanzen
aus dem Zahnschmelz herausgelöst werden.

Bei höheren Dosen kann es auch zu Veränderungen am Skelett kommen. Fluorose des Knochens bedeutet Knochengewebsvermehrung und Knochenneubildung an
bestehenden Vorsprüngen, die, je nach dem Ausmaß der Veränderungen, erhebliche Bewegungseinschränkungen zur Folge haben können.Natriumfluorphosphat und
Natriumfluorid werden zur Therapie der Osteoporose eingesetzt.
Unbestritten ist, dass Fluoridgaben einen Schutz vor Karies beim jugendlichen Gebiss bewirken. Die Löslichkeit des Zahnschmelzes wird vermindert, der schnelle
Wiederaufbau von notwendigen Deckschichten verbessert. Studien zeigten, dass ein künstlich hoher Fluorgehalt des Trinkwassers bei Kindern die Karieshäufigkeit
senkt (WHO 1994). Als günstige Fluorkonzentration im Trinkwasser, in Abhängigkeit von den klimatischen Bedingungen (Wasserzufuhr),erwies sich ein Gehalt von
0,7 bis 1,2 mg Fluor pro Liter. Dies darf aber nicht zu der Annahme verleiten, dass die Trinkwasserfluoridierung das Mittel der Wahl zur Zahnkariesprophylaxe sei. Viel
genauer und sicherer als mit fluoridiertem Trinkwasser kann eine wünschenswerte Fluoridapplikation über Salz oder Zahnpasta erfolgen.
Obwohl eine gut dosierte Fluorzufuhr vor Karies schützt, ist sie keine Fluormangelkrankheit, denn die Karies kann allein durch Mundhygiene (u.a. regelmäßiges Zähne-
putzen mit fluoridhaltigen Zahnpasten) und geeignetes Verhalten beim Konsum zuckerhaltiger Produkte verhindert werden. Eltern und Kinderärzte sollten über den
Fluoridgehalt im Trinkwasser informiert werden, um die zusätzliche Fluoridzugabe hierauf abzustimmen und Fluorosen zu vermeiden.
Dies wird als zwingend notwendig angesehen, wenn der Fluoridgehalt im Trinkwasser 0,5 mg/L F- übersteigt.

Eine von Schweinsberg et al. (1992) vorgenommene, rückschauende hygienische und gesundheitliche Bewertung der Trinkwasserfluoridierung kommt zu einer
ablehnenden Haltung, insbesondere weil es sich nicht um eine direkt an den exogenen, ernährungsbedingten Hauptursachen der Karies angreifende Maßnahmen
handelt. Ähnlich hat sich die Trinkwasserkommission in einer Stellungnahme 1985 geäußert. Die Trinkwasserfluoridierung könne sogar dazu beitragen, dass aus
ärztlicher Sicht eindeutig vorzuziehende Maßnahmen weniger akzeptiert und unterlassen werden, nämlich gute Mundhygiene und Reduktion des Konsums von
Süßigkeiten einschließlich der Vermeidung einer Dauerexposition der Zähne gegen zuckerhaltige Produkte, wie etwa gesüßter Tee für Kleinkinder. Diese Auffassung
wurde schon in den 80er Jahren selbst dort vertreten, wo man glaubte, eine erfolgreiche Kariesprophylaxe durch Trinkwasserfluoridierung betreiben zu können.

Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass die Trinkwasserfluoridierung zu einer erheblichen Belastung der Umwelt mit Fluorid führt. Bei 100 Litern je Einwohner
und Tag würden etwa 150 mg/d in die Umwelt gelangen. Sie sind in dieser Höhe nicht anders zu beweten als Belastungen der Umwelt mit Fluorverbindungen, die als
Folge industrieller Emissionen beobachtet werden.
Grenzwertermittlungen für Fluoride im Trinkwasser sind deshalb nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Gesundheitsschäden, sondern auch im Hin-
blick auf einen möglichen gesundheitlichen Nutzen vorgenommen worden. Nach Auffassung der Befürworter der Fluoridierung werden häufig mit der Nahrung im
Mittel nur 0,2-0,5 mg/d F- aufgenommen. Deshalb komme der Fluorzufuhr über Trinkwasser eine besondere Bedeutung zu. Nach Hodge u. Smith 1965 soll die
kariesprophylaktische Menge 1,5 bis 2,5 mg/d F- betragen. Unter Abzug der Aufnahme durch die Nahrung und Aufnahme von 2 L Trinkwasser täglich müsste der
nützliche Gehalt an Fluorid 1 mg/L F- betragen, wobei ein eventuell höherer Trinkwasserverbrauch, insbesondere bei Kindern, nichtberücksichtigt ist. Es zeigt sich,
dass im Falle des Fluorids die Werte einer nützlichen und einer schädlichen Wirkung nicht nur ungewöhnlich eng beieinander liegen,sondern sich sogar überschneiden
können.  

Hinzu kommt, dass die Fluoridzufuhr mit steigenden Fluoridgehalten des Trinkwassers auch stärker von den Trinkgewohnheiten abhängt. Die WHO (WHO 1996)
weist in ihren Guidelines darauf hin, dass bei der Grenzwertfestlegung unbedingt auch der klimaabhängige Trinkwasserkonsum berücksichtigt werden muss.
Der hohe Fluordgrenzwert der TrinkwV 2001 bzw. der EG-Richtlinie von 1,5 mg/L Wasser ist nur vor dem Hintergrund der kariesprophylaktischen Wirkung des Fluorids
verständlich. Die Fluoridgehalte der in Deutschland abgegebenen Trinkwässer liegen mit 0.1 bis 0,3 mg/L F- allgemein weit unterhalb dieses Grenzwertes. Nach einer
Untersuchung des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkasse WIDO von 1985, die einen sehr großen Teil der öffentlichen Wasserversorgung erfasst,
gibt es nur sehr kleine, stark abgegrenzte Gebiete, in welchen der Fluoridgehalt des Trinkwassers 0,8 mg/L erreicht.
Bei der Erschließung neuer Wasservorkommen, insbesondere in Bayern, ist geologisch bedingt vereinzelt mit erhöhten Gehalten an Fluorid zurechnen. Die Herab-
setzung des Gehalts an Fluorid, zum Beispiel durch Adorptionan Aluminiumoxid, hat bisher keinen Eingang in die Trinkwasseraufbereitung gefunden. Bei der Herstel-
lung von Tafelwässern ist das Verfahren dagegen seit vielen Jahren üblich.



Nachweis von Fluorid im Trinkwasser


Für die Bestimmung des Fluorid-Gehaltes sind in Übereinstimmung mit der Trinkwasserverordnung folgende Analysenverfahren möglich:

1. Kolorimetrie
2. Elektrometrie (ionensensitive Elektroden).

Die  kolorimetrische Messung von Fluorid-Ionen im Trinkwasser beruht auf der Bildung einer blaugefärbten Chelatverbindung durch Reaktion mit einem
Lanthan-Alizarin-Reagens; die Messung erfolgt bei 600-620ng. Dieses Verfahren eignet sich für Fluorid-Konzentrationen von 300-2000 µg/L,so dass für die Untersuchung
der meisten Trinkwässer eine Anreicherung aus einer größeren Wasserprobe durch einengen im alkalischen Medium erforderlich wird.
Die kolorimetrische Bestimmung des Fluorids kann durch eine Reihe von Wasserbestandteilen gestört werden (Härtebildner, Aluminium, Eisen,Mangan oder organische
Bestandteile). Zur Vermeidung dieser Störungen müssen die Wasserproben zunächst vorbehandelt werden: Nach Einengen der Probe und Ausfällen des Chlorids wird
das Fluorid als Kieselfluorwasserstoffsäure abdestilliert.Im Destillat kann dann die kolorimetrische Messung erfolgen.
Für dieses Untersuchungsverfahren sind größere Probenvolumina (0,2-1 L) erforderlich. Außerdem dauert die Bestimmung relativ lange (allein für die Destillation ca.
2 Std.).
Mit Hilfe ionensensitiver Elektroden kann der Fluoridgehalt auch in kleinen Probemengen (ca. 1mL Probe) bestimmt werden. Zur Beseitigung möglicher Störungen durch
Wasserstoffionen, Si, Al oder Fe, die zur Komplexierung des Fluorids führen können, muss die Probe vor der Messung lediglich mit einem Puffer auf eine bestimmte
Gesamtionenstärke und einen pH-Wert von 5-6 eingestellt werden. Dieses Verfahren, mit dem noch 20 µg/L F- nachgewiesen werden können,eignet sich daher nach
unserer Erfahrung besonders für Serienanalysen von Trinkwässern. Die erforderliche Pufferlösung kann über Elektrodenhersteller fertig bezogen oder selbst herge-
stellt werden. Zur vollständigen Erfassung gegebenfalls nur geringfügig dissoziierter Fluoridkomplexe durch die elektometrische Methode empfiehlt es sich, Fluoride
als Fluorwasserstoff freizusetzen und vor der Messung durch Destillation abzutrennen.

©  Marc Husmann   Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.