Samstag, 25. März 2017

Geschichtliche und rechtliche Entwicklung des Gebäudeenergieausweises

Um den Gebäudebestand beurteilen zu können, ist es unabdingbar sich der geschichtli-
chen Entwicklung der Bautechniken und der Entwicklung der Dämmung von Gebäuden
zu widmen. Nur so kann ein geübter Blick für Bausubstanzen erarbeitet werden und damit
die vorhandenen Sanierungen im Bestand richtig bewertet und eingeordnet werden.
Das Thema Energieeffizienz von Gebäuden ist in der Baugeschichtet ein eher neuer As-
pekt. Der Schimmelbefall und damit die Gesundheitsgefährdung der Bewohner wird da-
gegen schon in der Bibel im 3. Buch Moses (14. Vers) mit „Aussatz der Häuser“ beschrie-
ben. In der hiesigen Bauforschung nahm das Thema erstmals 1920 breiteren Einzug. Da-
maliger Standart waren ungedämmte Bauteile mit U-Werten über 1,0 W/(m2K), kombiniert
mit undicht verbauten einscheibenverglasten Fenstern und Ofenheizung.
„Das Wärmeleitungsvermögen der Baumaterialien, d.h. ihre Fähigkeit, Wärme von der einen Fläche
durch die Wanddicke hindurch zur gegenüberliegenden Fläche zu leiten, soll bei Baumaterialien
möglichst gering sein.“, wird schon in dem 1902 erschienen Buch „Das gesunde Haus“ festgestellt.
Energetisch effiziente Gebäude sind also nicht nur positiv im Hinblick auf den Treibhaus-
effekt und die Umweltbelastung. Dichte, gut gedämmte Gebäude mit einer optimalen
Haustechnik weisen auch entsprechend weniger wohnhygienische Probleme auf als Ge-
bäude älterer Bautage. Schimmelschäden, als Resultat ungenügender Dichtheit und man-
gelnder, mangelhafter oder fehlender Dämmung sind also nicht allein ein Problem neuerer
Bauten, wie oft behauptet.
Die ersten Bauordnungen entstanden Ende des 19. Jahrhunderts (z. B. „Die allgemeine
Bauordnung für die Landesteile Bayerns rechts des Rheins mit Ausnahme der Haupt- und
Residenzstadt München“ vom 30. Aug. 1877). Die damaligen „allgemein anerkannten
Regeln der Baukunst“ setzten sich hauptsächlich mit der Bemessung tragender Wände
und Brandwände auseinander. Die theoretischen Grundlagen zur Bemessung des neuen
Baustoffs „Eisenbeton“ wurden entwickelt. Die Bemessung von Ziegelaußenwänden wur-
de in Abhängigkeit von der Geschosszahl vorgegeben und waren in der Regel 1 1/2 Steine
dick oder dicker. Erst im 20. Jahrhundert wurden die Wände rationeller und dünner ge-
baut, so dass rechnerische Nachweise für den Schall- und Wärmeschutz schrittweise ent-
wickelt wurden.

Um 1920 entstand der Begriff „Mindestwärmeschutz“. Die üblichen Mängel in den Bau-
weisen mit den bekannten Folgen wie geringe Behaglichkeit, Gefahr von Gesundheits-
schäden durch Feuchte und Schimmel und in deren Folge Bauschäden sowie hoher Ener-
gieverbrauch wurden damit jedoch nicht wesentlich abgestellt. Der Begriff „Mindestwär-
meschutz" ist seit 1952 in der DIN 4108 „Wärmeschutz im Hochbau" festgeschrieben.
Nachdem die erste normative Forderung nach Wärmedämmung hygienisch begründet
wurde, rückte durch die Energiepreiskrise 1974 der Energieeinsparungseffekt in den Focus
der Gesetzgebung. Auf Grundlage des Energieeinsparungsgesetzes von 1976 wurden 1977
weitere Vorschriften erlassen, um eine wirtschaftlich sinnvolle Beschränkung des Energie-
verbrauchs zu erreichen. Die DIN 4108 von 1952 behielt weiter ihre Gültigkeit, da in dem
„Gesetz zur Einsparung von Energie in Gebäuden“ von 1976 (Wärmeschutzverordnung
von 1977, WschVO 77) nur mittlere Wärmedurchgangskoeffizienten (k-Werte) festge-
schrieben waren. Erst 1981 wurde die DIN 4108 „Wärmeschutz im Hochbau“ überarbeitet,
von 1996 bis 2001 folgten weiter Überarbeitungen und es wurden neu erarbeitete Teile
hinzugenommen. Dabei ist für den Gebäudeenergieausweis-Ersteller wichtig zu wissen,
dass rund 80% aller Wohngebäude in Deutschland vor 1979 erstellt wurden, auf Grundla-
ge der beschriebenen Erkenntnisse, Technikstände und Vorschriften.

Im Jahre 1982 wurde die 1. Wärmeschutzverordnung novelliert. Neben den Anforderun-
gen für Neubauten an den Wärmeschutz, wurden erstmals die Anforderungen an einen
erhöhten Wärmeschutz bei baulichen Veränderungen an bestehenden Gebäuden erhoben.
Diese 2. Wärmeschutzverordnung trat 1984 in Kraft und galt bis einschließlich 1994.

Mit der 1995 eingeführten 3. Wärmeschutzverordnung (WschVO 95) wurden nun nicht
mehr nur die abstrakten Größen des Wärmedurchgangskoeffizienten begrenzt, sondern
Forderungen an den maximalen Jahres-Heizwärmebedarf von neu zu errichtenden Ge-
bäude sowie bei Erweiterungen an bestehenden Gebäuden gestellt. Neu daran war, dass
neben der Begrenzung der Transmissionswärmeverluste erstmals auch Lüftungswärme-
verluste, solare und interne Wärmegewinnung in den Nachweisen berücksichtigt wurden.
Seit Februar 2002 gilt die Energieeinsparverordnung (EnEV), sie ist damit die 3. Novellie-
rung der Wärmeschutzverordnung. Sie hat als vordringlichstes Ziel, den Energiebedarf
von Gebäuden nochmals um durchschnittlich 30% zu senken und damit auch den CO 2 -
Ausstoß weiter zu reduzieren. Die Energieeinsparungsverordnung (EnEV) fasste die
Wärmeschutzverordnung und die Heizungsanlagenverordnung zusammen. Damit wurde
eine ganzheitliche Betrachtung der Wärmeverluste und Wärmegewinnung der Gebäude-
hülle und Anlagentechnik ermöglicht. Wie bei den Wärmeschutzverordnungen ist das
„Gesetz zur Einsparung von Energie“ aus dem Jahre 1976 weiterhin Grundlage der neuen
Verordnung.
Mit der Einführung der Energieeinsparverordnung hatte der k-Wert als Wärmedurch-
gangskoeffizient ausgedient, dieser wird nun als U-Wert bezeichnet.

©  Marc Husmann   Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.