Freitag, 17. März 2017

Problematik von Bleileitunge


                   


Erhebliche Auswirkungen auf die Kontaminationshöhe kann der für die Wasserleitung verwendete Werkstoff besitzen. Beispielsweise können verzinkte Stahlrohre
(mit bis zu 0.7 % Pb) Blei an das Trinkwasser abgeben. In Wasser, das durch Rohre geleitet oder in Tanks aufbewahrt wird, die aus Blei gefertigt sind, können Kon-
zentrationen bis 3000 µg/L Pb auftreten. Betroffen sind insbesondere Altbauten, schätzungsweise etwas 10 % aller Haushalte Deutschlands, die noch über Blei-
anschluss- oder Bleisteigleitungen verfügen. Insbesondere über einen längeren Zeitraum (über Nacht) in solchen Leitungen stehendes Wasser kann eine Konzentration bis zu mehreren Hundert µg/L Pb aufweisen. Fließwasser aus diesen Leitungen weist dagegen in der Regel vielfach geringere Bleiwerte auf. Selbst im Verlauf des Tages kann allerdings bereits nach Standzeiten von mehr als 30 min das Wasser mit einer den neuen (10 µg/L Pb) und den alten Trinkwassergrenzwert
(40 µg/L Pb) überschreitenden Pb-Konzentration kontaminiert sein. Insofern ist in solchen Bleirohr versorgten Haushalten prinzipiell kein Gewähr zur Einhaltung des Trinkwassergrenzwertes gegeben.



Gesundheitliche Bedeutung, Zufuhr und Absorption


Blei wird über den Luftpfad, über Nahrungsmitteln und Wasser zugeführt. Die Bleibelastung der Luft des nicht speziell beruflich Pb-exponierten Menschen ist aller-
dings seit Einführung des Benzinblei-Gesetzes in den siebziger Jahren und weiterer staatlicher und lokaler Minderungsmaßnahmen stark rückläufig. Entsprechend
nahm die Immissionsbelastung mit Blei im Schwebstaub innerhalb von 15 Jahren im Rhein-Ruhr-Gebiet auf ein Sechstel des ursprünglichen Wertes (von ca. 1 µg/m³ Pb).
Nur noch in wenigen Ausnahmefällen (z.B. in der Nähe stark Blei-emitierender Industriebetriebe) ist ein nennenswerter Beitrag des Luftpfads zur menschlichen Pb-
Belastung anzunehmen. Infolge ihrer ausgeprägten Hand-zu-Mund-Aktivität bilden bei (Klein-) Kindern Kontaminationen des Hausstaubs und des Bodens zusätzliche
Zufuhrquellen für Blei.
Die tägliche Zufuhr für den Menschen wird auf 0.5 bis 30µg/kg Pb je KG geschätzt. Individuelle Werte im rahmen dieses weiten Bereiches sind geprägt durch die
Art der Ernährung, durch die Form der aufgenommenen Verbindungen, deren unterschiedlichen Anteile in den einzelnen Zufuhrmedien,durch das Lebensalter und
durch den individuellen physiologischen Status. Prinzipiell  ist zwischen der Blei-Belastung von Erwachsenen und derjenigen von(Klein-)Kindern zu unterscheiden.



Blei-Belastung von Erwachsenen


Der ZEBS-Bericht 1/1984 berechnete aus Lebensmittelkorbanalysen eine mittlere Zufuhrmenge für den Erwachsenen von 1.53 mg Pb/Woche (Median: 1.03;
Männer, 70 kg KG) bzw. 1.07 mg Pb/Woche (Median: 0.73; Frauen,58 kg KG). Dies entspricht einer täglichen Zufuhr von ca. 220 (Median: ca. 150) bzw. 150 (Median:
100) µg Pb/Person. Einer Schätzung von Ewers Schlipköter zufolge beläuft sich die Zufuhr auf 120 µg Pb pro Tag (Lebensmittel und Getränke), zuzüglich 7.5 µg Pb
über den Luftpfad. Neuere Untersuchungen lassen heutzutage eher eine Pb-Zufuhr des Erwachsenen mit Lebensmitteln, Getränken und Trinkwasser von ca.
40 µg/Erw.x Tag (ca. 0.55 µg/kg KG x Tag) annehmen.

Die Ausschöpfung der von der WHO festgelegten "vorläufig duldbare wöchentliche Höchstmenge" (Provisional Tolerable Weekly Intake,PTWI) von (umgerechnet)
25 µg/kg x Woche Pb bewegt sich somit unter alleiniger Betrachtung dieser Zufuhrwege zur Zeit voraussichtlich im Bereich von 16 %.
Als weitere Zufuhrquellen sind anzunehmen: Luft (bei 0.1µg/m³ Pb; 15 m³/Tag) mit 1.5 µg/Tag Pb, gegebenenfalls Weinkonsum (bei 100 µg/LPb in Wein; 0.25 L/Tag)
mit 25 µg/Tag Pb und Rauchen mit 10 µg/Tag Pb.
Die gastointestinale Absorption der zugeführten Lebensmittel und Getränke (einschl. Wasser) wird auf 5-10 % geschätzt (u.a. 10 %), wobei jenach Füllungszustand des Magens vor und nach der Bleizufuhr auch Absorptionsquoten bis zu 50 % vermutet werden. Für den Erwachsenen wird eine Absorptionsquote von 40 % des in der Umgebungsluft enthaltenen, partikelgebundenen Bleis (mittlerer Massendurchmesser 0.25 µm) angenommen.  

Die bei Vernachlässigung des Belastungspfades Luft insbesondere aus Lebensmitteln und Getränken insgesamt absorbierte Bleimenge beträgt für den Erwachsenen
wahrscheinlich im Durchschnitt 3-4 µg/Tag. Wegen der vermutlich relativ hohen Absorptionsquoten für Blei aus Trinkwasser und Getränken lässt sich deren Anteil
allerdings kaum abschätzen. Z.B. können bei Ausschlöpfung des neuen Trinkwassergrenzwertes von 10 µg/L Pb (2.0 L täglicher Verbrauch mit bis zu 50 % Absorption)
die mit Durchschnittswerten geschätzten absorbierten Blei-Mengen erheblich sein.



Blei-Belastung von Kleinkindern


Ewers E Schlipköter schätzten 1991 die mit Lebensmitteln,Getränken und Trinkwasser zugeführte Bleimenge für das Kind auf ca. 60 µg/TagPb. Die Bleizufuhr
über den Luftpfad wurde mit 2.5 µg/Tag Pb angenommen. Neuere Studien nach der Duplikat-Methode lassen eher annehmen, dass die mittlere Pb-Zufuhr des Kindes
durch Nahrung und Getränke sich heutzutage im Bereich von 17µg/Kind (6 Jahre) x Tag bewegt, mit einer Spannweite von 0.14-2.26 µg/kg x TagPb pro KG.
Die o.g. von der WHO festgelegte "vorläufig duldbare wöchentliche Zufuhrmenge" wird hierdurch zu etwa 23 % ausgeschöpft.
Über den Luftpfad (0.1 µg/m³ Pb; 5 m³/Tag) dürften zusätzlich täglich 0.5 µg Pb, über die Hand-zu-Mund-Aktivität von Kleinkindern (100mg/kg Pb Staub/Boden; 100 mg
Staub/Boden-Zufuhr pro Tag) weitere 10 µg/Tag Pb zugeführt werden. Werden statt der medianen (d.h. wahrscheinlich) Expositionsbedingungen solche am 95.
Percentil (d.h. für den ungünstigen Fall) gewählt, sind höhere Pb-Belastungen des Kindes zu erwarten.
Kinder besitzen eine im Vergleich zum Erwachsenen höhere Absoptionsquote für oral mit Lebensmitteln und Getränken zugeführtes Blei. Sie beträgt bei 0.3 bis 8.5
Jahre alten Kindern 53 %, nach anderen Angaben im Mittel 42%. Über die Absorption aus der Muttermilch ist nichts bekannt. Eine mittlere orale Absorptionsquote
von bis zu 50 % gilt als realistisch. Insofern ist bei gleicher oraler Pb-Belastung von Kindern und Erwachsenen eine höhere interne Pb-Belastung bei Kindern zu
erwarten. Hinzu kommt, dass Milch ebenso wie Fasten oder ein Mangel an Calcium, Eisen, Zink, Kupfer und Selen in der Nahrung die Absorption des zugeführten
Bleis erhöht.
Aufgrund der beim Luftpfad und vereinzelt bei Nahrungsmitteln zu beobachtenden Tendenz der Abnahme der Bleibelastung kommt dem Trinkwasserpfad eine zu-
nehmend bedeutendere Rolle in der Bleibelastung zu.



Ab dem 1. Dezember 2013 wird der Grenzwert für den Parameter Blei auf 0,010 Milligramm pro Liter abgesenkt. Dieser Grenzwert kann in der Regel nur eingehalten werden, wenn in der Wasserversorgung keine Bleirohre mehr vorhanden sind. Sollten sich dennoch über den genannten Zeitpunkt hinaus Bleirohre in Versorgungssystemen befinden, ist es erforderlich, die betroffenen Verbraucher, die dann nicht mehr von möglichen Bleibelastungen ausgehen, hierüber zu informieren.

©  Marc Husmann   Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.