Montag, 14. August 2017

Aluminium als Zugabe zum Trinkwasser zwecks Korrosionsschutzes statt Aufbereitungs- und Desinfektionsschutzes

Aluminium als Zugabe zum Trinkwasser zwecks Korrosionsschutzes statt Aufbereitungs- und Desinfektionsschutzes

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle – 1. Kammer – vom 20. Januar 2011 wird für wirkungslos erklärt.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Beklagte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 15.000,-€ festgesetzt

Gründe

1
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die erstinstanzliche Entscheidung ist gemäß §§ 173 Satz 1 VwGO, 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO für wirkungslos zu erklären.
2
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss; der bisherige Sach-und Streitstand ist zu berücksichtigen. Es entspricht billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, weil ihre Berufung voraussichtlich keinen Erfolg hätte haben können, wenn die Änderung der Rechtslage im Anschluss an das Verfahren im ersten Rechtszug, die der Kläger zum Anlass genommen hat, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, ausgeblieben wäre.
3
Zu Recht macht der Kläger geltend, dass Aluminium, das als Korrosionsschutz für Trinkwasserleitungen dem Trinkwasser zugegeben wird, bis zum 31. Oktober 2011 kein Aufbereitungsstoff gewesen ist, der der Aufnahme in die Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß § 11 der Trinkwasserverordnung vom 21. Mai 2001 (BGBl. I S. 748) i. d. F. der Änderung durch Art. 363 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (im Folgenden: TrinkwV a. F.; BGBl I S. 2407) bedurft hat.
4
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 TrinkwV a. F. durften zur Aufbereitung des Wassers für den menschlichen Gebrauch nur Stoffe verwendet werden, die vom Bundesministerium für Gesundheit in einer Liste im Bundesgesundheitsblatt bekannt gemacht worden sind. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass diese abschließende Aufzählung der Aufbereitungsstoffe nur für die Stoffe galt, die bei der Aufbereitung, also der Behandlung des Rohwassers mit dem Ziel, die stoffliche Zusammensetzung so zu verändern, dass aus dem Rohwasser solches Wasser hergestellt wird, das die für den menschlichen Gebrauch nach § 37 Abs. 1 IfSG und § 4 Abs. 1 Satz 1 TrinkwV notwendigen Eigenschaften aufweist. Damit waren Aufbereitungsstoffe zu unterscheiden von solchen Stoffen, die nicht zur Aufbereitung des Wassers, sondern zu anderen technischen Zwecken, namentlich zur Instandhaltung der Installationsanlagen eingesetzt wurden.
5
Nach der Wortbedeutung wurden nur die Stoffe als listenpflichtig erfasst, die zur Aufbereitung des Wassers verwendet wurden. Aufbereitung beschreibt einen Vorgang, bei dem "bestimmte Rohstoffe zur [weiteren] Verwendung" vorbereitet, bzw. geeignet gemacht werden (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Auflage 1989, S. 151). Es ist "die physikalische oder physikalisch-chemische Behandlung von Stoffen oder Stoffgemischen (…) mit dem Ziel, bestimmte Stoffkomponenten in einem oder mehreren Verfahrensschritten herauszulösen oder abzutrennen" (Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage 1987, Bd. 2, S. 300). Wasseraufbereitung ist das "Behandeln von verunreinigtem Wasser (…), so dass es anschließend die jeweiligen Anforderungen als → Trinkwasser oder → Betriebswasser erfüllt" (Der Große Brockhaus, 18. Auflage 1981, Bd. 12, S. 256). Die Aufbereitung ist mithin die auf ein bestimmtes Ziel hin orientierte Behandlung eines Stoffes. Der Behandlungszweck in § 11 Abs. 1 Satz 1 TrinkwV a. F. wird bezeichnet als Aufbereitung des Wassers für den menschlichen Gebrauch. Das Wasser soll dem Wortlaut der Regelung nach in der Weise behandelt werden, damit es für den menschlichen Gebrauch Verwendung finden kann.
6
Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht nicht dagegen, dass die DIN EN 12173 die Fluoridierung von Trinkwasser zur Kariesprophylaxe als eine Maßnahme der Trinkwasseraufbereitung versteht. Denn mit der Zugabe von Natriumfluorid sollen dem Trinkwasser Eigenschaften vermittelt werden, mit denen der Genuss von TrinkwasserSchädigungen der Gesundheit der Verbraucher vorbeugt. Es geht dabei gerade nicht darum, dem Wasser einen Stoff zuzuführen, damit das Wasser einen anderen technischen Zweck erfüllt.
7
Auch die VDI-Richtlinie 6001 zur Sanierung von sanitärtechnischen Anlagen -Trinkwasser (Juli 2004) ist nicht geeignet, den Standpunkt der Beklagten zu stützen. Denn sie erfasst den elektrolytischen Korrosionsschutz unter der Überschrift "Maßnahmen zur Wasseraufbereitung bzw. -behandlung". Die von der Beklagten gezogene Schlussfolgerung, elektrolytischer Korrosionsschutz sei eine Maßnahme zur Wasseraufbereitung, lässt sich aus der Richtlinie nicht ableiten, weil sie – wie die Überschrift verdeutlicht – nicht nur Maßnahmen zur Wasseraufbereitung, sondern auch – weitergehend – andere Maßnahmen zur Wasserbehandlung erfasst.
8
Der Einwand der Beklagten, die Wortbedeutung des Begriffes Aufbereitung sei weiter zu verstehen, weil die beklagte Behörde und ihre Mitarbeiter, wie der Einleitungstext der Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren verdeutliche, unter der Aufbereitung auch eine Veränderung der Wasserzusammensetzung zu technischen Zwecken (z. B. Enthärtung) verstanden hätten, geht fehl, weil die Art und Weise der Handhabung einer gesetzlichen Regelung in der Praxis noch kein Beleg dafür ist, dass diese Praxis der gesetzlichen Regelung entspricht.
9
Dieses Verständnis entspricht auch der Gesetzessystematik. Nach § 3 Nr. 1 Satz 1 TrinkwV a. F. ist "Wasser für den menschlichen Gebrauch" das "Trinkwasser" und "Wasser für Lebensmittelbetriebe". Dabei ist "Trinkwasser" nach § 3 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a TrinkwV a. F. alles Wasser, im ursprünglichen Zustand oder nach Aufbereitung, dass zum Trinken, zum Kochen, zur Zubereitung von Speisen und Getränken oder zu weiteren häuslichen Zwecken bestimmt ist. Ist also Wasser für den menschlichen Gebrauch sowohl das Wasser im ursprünglichen Zustand, als auch das Wasser nach seiner Aufbereitung, so ist die Aufbereitung zu verstehen als der zweckgerichteten Vorgang der Behandlung des Wassers mit dem Ziel, die Beschaffenheit des Wassers so zu beeinflussen und zu ändern, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist (§ 37 Abs. 1 IfSG), bzw. dass es frei von Krankheitserregern, genusstauglich und rein ist (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 TrinkwV a. F.).
10
Zwar hat die Beklagte mit der Berufungsbegründung zutreffend darauf hingewiesen, dass die Entstehungsgeschichte der Regelung für eine weite Auslegung des Begriffs der Aufbereitung spricht, der auch den Einsatz von Stoffen zu technischen Zwecken erfasst. Nach der Begründung zum Verordnungsentwurf sollte die Vorschrift des § 11 TrinkwV a. F. im Grundsatz der Vorgängerregelung in § 5 der Trinkwasserverordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom 05. Dezember 1990 (im Folgenden: TrinkwV 1990; BGBl. I S. 2612, 1991 I S. 227) entsprechen (BR-Drs. 721/00 S. 79). § 5 Abs. 1 TrinkwV 1990 sah vor, dass zur Trinkwasseraufbereitung die in der Anlage 3 Spalte b aufgeführten Zusatzstoffe einschließlich ihrer Ionen, sofern diese durch Ionenaustauscher oder durch Elektrolyse zugeführt werden, für die dort genannten Zwecke zugelassen waren. In der Anlage 3 Spalte b waren unter den Nummern 10 a und 10 b Stoffe mit dem Verwendungszweck Hemmung der Korrosion verzeichnet und unter der Nummer 12 Magnesium als Opferanode mit dem Verwendungszweck "kathodischer Korrosionsschutz" zugelassen. Das lässt erkennen, dass der Verordnungsgeber davon ausging, mit der Neuregelung in § 11 TrinkwV a. F. Stoffe, die zu technischen Zwecken beigegeben werden, weiterhin als Aufbereitungsstoffe Verwendung finden könnten, wenn sie in die Listen nach § 11 TrinkwV a. F. aufgenommen wurden. Allerdings hat dieser Wille im Wortlaut keine Entsprechung gefunden.
11
Der Sinn und Zweck der Regelung spricht dafür, unter Aufbereitungsstoffe nur solche Stoffe zu fassen, die dazu dienen, Rohwasser in Wasser für den menschlichen Gebrauch zu veredeln, so dass die Zugabe von Stoffen, die anderen technischen Zwecken dienen, nicht der Aufnahme in die Liste bedürfen. § 11 TrinkwV a. F. bestimmte, mit welchen zugelassenen Mitteln Wasser in seiner Beschaffenheit verändert werden durfte, damit es den Anforderungen an die Beschaffenheit des Wassers für den menschlichen Gebrauch i. S. d. §§ 4 ff. TrinkwV an den Zapfstellen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 TrinkwV genügt. Diente die Zugabe eines Stoffes in das Wasser – wie hier – der Instandhaltung der Hausinstallationsanlage, so war die Zulässigkeit an den Maßgaben des § 17 TrinkwV zu messen.
12
Die Streitwertfestsetzung für den zweiten Rechtszug beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.