Montag, 14. August 2017

Ausschluss eines Unternehmens mangels Eintragung in die Handwerksrolle

Vergabeverfahren: Ausschluss eines Unternehmens mangels Eintragung in die Handwerksrolle bei Vergabe von Bauleistungen

Tenor

1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Verfahrenskosten (Gebühren und Auslagen) beziffern sich auf … Euro.

Gründe

I.
1
Die Antragsgegnerin veröffentlichte am 17.10.2016 unter evergabe-online in Form einer Öffentlichen Ausschreibung die Vergabe des Ausbaus der … in …, Kanalbau, Straßenbau, Erdarbeiten Versorgungsleitungen, Vergabenummer … .
2
Es wurden folgende Leistungen ausgeschrieben:
3
… ab … bis …, … Sachsen-Anhalt
4
f) Art und Umfang der Leistung:
5
Straßenbau Bauteil
6
Abbruch befestigter Straßenflächen Ca. 9.500 m2
7
Abbruch befestigter Gehwegflächen Ca. 4.200 m2
8
Oberbodenabtrag und -andeckung Ca. 600 m3
9
Bodenaushub für Straßen- und Gehwegbau Ca. 5.200 m3
10
Fahrbahnaufbau in vollgebundener Bauweise BK 3,2 Ca. 9.400 m2
11
Pflasterflächen für Geh- und Radwege Ca. 6.200 m2
12
Längsparker aus Naturstein-Großpflaster Ca. 475 m2
13
Bordsteine als Hoch- und Rundbord Ca. 2.350 m
14
Pflasterrinne 2-reihig aus Betonstein Ca. 2.400 m
15
Schmutzwasserkanalbau
16
1.020 m DN 300 PP
17
105 m DN 250 PP
18
15 m DN 200 PP
19
575 m DN 150 PP Hauanschlussleitungen
20
18 St SB-fertigteilschächte DN 1000, T bis 4,50 m
21
8 St SB-Fertigteilschächte DN 1200, T bis 4,50 m
22
15 m geteuerter Rohrvortrieb Steinzeug DN 300
23
Regenwasserkanalbau
24
75 m DN 300 Beton
25
770 m DN 400 Beton
26
210 m DN 500 Beton
27
75 m DN 600 Beton
28
580 m DN 150 PP Hausanschlussleitungen
29
16 St SB-Fertigteilschächte DN 1000, T bis 4,00 m
30
6 St SB-fertigteilschächte DN 1200, T bis 4,00 m
31
2 St SB-fertigteilschächte DN 1500, T bis 4,00 m
32
15 m gesteuerter Rohrvortrieb Steinzeug DN 400
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Erdarbeiten Trinkwasser/Gas/Elektro
34
2.400 m Grabenlänge
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Unter Buchstabe u) der öffentlichen Bekanntmachung werden folgende Nachweise zur Eignung verlangt:
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Präqualifizierte Unternehmen führen den Nachweis der Eignung durch den Eintrag in die Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (Präqualifikationsverzeichnis). Bei Einsatz von Nachunternehmen ist auf gesondertes Verlangen nachzuweisen, dass diese präqualifiziert sind oder die Voraussetzung für die Präqualifikation erfüllen.
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Nicht präqualifizierte Unternehmen haben als vorläufigen Nachweis der Eignung mit dem Angebot das ausgefüllte Formblatt „Eigenerklärung zur Eignung" vorzulegen. Bei Einsatz von Nachunternehmen sind auf gesondertes Verlangen die Eigenerklärungen auch für diese abzugeben. Sind die Nachunternehmen präqualifiziert, reicht die Angabe der Nummer, unter der diese in der Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (Präqualifikationsverzeichnis) geführt werden.
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Gelangt das Angebot in die engere Wahl, sind die Eigenerklärungen (auch die der Nachunternehmen) auf gesondertes Verlangen durch Vorlage der in der „Eigenerklärung zur Eignung" genannten Bescheinigungen zuständiger Stellen zu bestätigen. Bescheinigungen, die nicht in deutscher Sprache abgefasst sind, ist eine Übersetzung in die deutsche Sprache beizufügen.
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Das Formblatt „Eigenerklärung zur Eignung" ist erhältlich: Bestandteil der Vergabeunterlagen.
40
Darüber hinaus hat der Bieter zum Nachweis seiner Fachkunde folgende Angaben gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 3 VOB/A zu machen:
41
Formblatt 124 für Hauptunternehmer und Nachunternehmer, Anlagen 1, 2, 3, 4, 6 gem. § 2 der VO Anwendung des Formularwesens bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Preis-Formblätter 221, 222, 223, Bieterangabenverzeichnis, Eignungsnachweis: RAL-GZ 961, DVGW GW 301, Güteschutz Kanalbau AK 2, VP.
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15 Firmen forderten die Vergabeunterlagen ab.
43
Zum Submissionstermin am 15. November 2016, 10 Uhr lagen neun Hauptangebote und 15 Nebenangebote vor. Die Antragstellerin liegt rechnerisch mit ihrem Angebot an zweiter Stelle.
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Die Beigeladene hat das günstigste Angebot abgegeben.
45
Die Beigeladene ist präqualifiziert. Im Rahmen der abzugebenden Erklärung der Anlage 6 zum Landesvergabegesetz in Bezug auf die Zugehörigkeit zur Handwerkskammer erklärt die Beigeladene, dass sie in der Industrie- und Handelskammer registriert sei.
46
In Auswertung der Angebote kommt die Antragsgegnerin zu dem Schluss, dass das Angebot der Beigeladenen nicht ausgeschlossen werden dürfe. Hierzu hat sie sich mit der jeweils zuständigen IHK Leipzig und der Handwerkskammer zu Leipzig abgestimmt. Im Ergebnis dessen erklärte die IHK Leipzig, dass die Antragstellerin als Industriebetrieb bei ihr registriert sei. Die zuständige Handwerkskammer zu Leipzig erklärte, dass die Beigeladene als industrieller Betrieb nicht in die Handwerksrolle eingetragen werde.
47
Die Antragsgegnerin empfahl mit Vermerk vom 20. Dezember 2016, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
48
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2016 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werde, weil es nicht das wirtschaftlichste sei und beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.
49
Die Antragstellerin rügte am 27. Dezember 2016 das Vergabeverfahren und führte aus, dass das Angebot der Beigeladenen zwingend auszuschließen sei. Sie besitze keine Eintragung in die Handwerksrolle, so dass auch die Erklärung der Anlage 6 nicht oder nicht wahrheitsgemäß abgegeben werden könne. Darüber hinaus sei die Beigeladene erst im Laufe des Jahres 2016 gegründet und im Handelsregister A des Amtsgerichtes Leipzig eingetragen worden. Auf dieser Grundlage sei davon auszugehen, dass die Beigeladenen Eignungsnachweise durch Angabe von Umsatzzahlen der Jahre 2013 - 2015 nicht oder nicht wahrheitsgemäß erbringen könne. Ebenso sei davon auszugehen, dass Referenznachweise nicht nachgewiesen werden könnten.
50
Mit Schreiben vom 31. Januar 2017 ist die Antragstellerin durch die Vergabekammer zum Sachverhalt angehört worden. Ihr wurde die Möglichkeit gegeben, hierzu schriftlich Stellung zu nehmen.
51
Insbesondere wies die Vergabekammer die Antragstellerin darauf hin, dass ihr Antrag zwar zulässig sei, jedoch nach derzeitiger Aktenlage unbegründet, da sie keine Verletzung ihrer Rechte im Sinne von § 19 Abs. 2 Satz 4 LVG LSA geltend machen könne.
52
Hierauf nahm die Antragstellerin mit Schreiben vom 31. Januar 2017 Stellung und behielt ihren Nachprüfungsantrag aufrecht. Sie könne nicht nachvollziehen, wie die Beigeladene auf der vom Auftraggeber in dieser Anlage zwingend abgeforderte positive Erklärung zur Handwerksrolleneintragung in korrekter Form angegeben haben soll, nicht in der Handwerksrolle eingetragen zu sein, sondern bei der IHK. Entweder habe sie hier eine wahrheitswidrige Erklärung abgegeben oder es wurden Änderungen an der Ausschreibungsunterlage durch den Bieter vorgenommen. Letzteres würde zum zwingenden Ausschluss gemäß § 16 Abs. l Nr. 3 VOB/A führen.
53
Bislang sei auch nicht nachvollziehbar, woher die Information stamme, die Handwerkskammer würde die Beigeladene nicht in die Handwerksrolle eintragen, weil es sich um einen industriellen Betrieb handele. Diese Information sei nicht zutreffend und widerspreche zudem der Teilnahme der Beigeladenen an dieser Ausschreibung. Nach Rücksprache mit der für Eintragungen zuständigen Handwerkskammer Leipzig habe die Antragstellerin die Auskunft erhalten, dass jeder Betrieb, der zulassungspflichtige Arbeiten am. Markt anbiete, eintragungspflichtig bei der Handwerkskammer sei. Dies gelte auch für Mischbetriebe, selbst wenn 99 % nichteintragungspflichtige Arbeiten, am Markt erbracht würden und nur 1 % eintragungspflichtige Arbeiten. Gleichzeitig habe sie die Information erhalten, dass insbesondere Straßenbauarbeiten in diesem Sinne eintragungspflichtige Arbeiten seien.
54
Da hier gerade auch Straßenbauarbeiten ausgeschrieben und angeboten worden seien (vgl. LV Bauteil 1) könnten auch nur bei der Handwerkskammer zugelassene Betriebe ein wertungsfähiges Angebot abgeben. Es sei also zutreffend gewesen, von der ausschreibenden Stelle mit der Anlage 6 eine entsprechende positive Erklärung zur Handwerksrolleneintragung zwingend und alternativlos abzufordern. Nur bei der Handwerkskammer eingetragene Betriebe hätten diese Erklärung wahrheitsgemäß und ohne Änderungen an den Ausschreibungsunterlagen abgeben können. Die Notwendigkeit der Abgabe der Anlage 6, somit auch der dort geforderten positiven Erklärung zur Eintragung bei der Handwerkskammer, sei vorliegend auch bereits Gegenstand der Veröffentlichung gewesen.
55
Die Antragstellerin beantragt
56
1. den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin,
57
2. Akteneinsicht
58
3. Verlängerung der Frist nach § 19 LVG LSA.
59
Mit Beschluss vom 7. Februar 2017 wurde teilweise Akteneinsicht gewährt.
60
Die Antragsgegnerin beantragt
61
den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
62
Die Antragsgegnerin half der Beanstandung der Antragstellerin nicht ab und legte der 3. Vergabekammer am 17. Januar 2017 die Unterlagen vollständig vor.
63
Die Beigeladene wurde mit Schreiben vom 3. Februar 2017 zum Sachverhalt angehört. Sie nahm mit Schreiben vom 9. Februar 2017 Stellung. Sie führte aus, dass sie kein Handwerksbetrieb sei. Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung-HWO) sei ein Gewerbebetrieb ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben werde.
64
Die Beigeladene sei kein handwerksmäßig betriebenes Unternehmen, sondern ein Bauunternehmen, welches für die Branchen:
65
- 42990 sonstiger Tiefbau
66
- 42120 Bau von Bahnverkehrsstrecken,
67
- 421101 Bau von Autobahnen, Straßen und Wegen bei der IHK registriert sei.
68
Richtig sei, dass die Beigeladene im Zusammenhang mit den von ihr ausgeführten und angebotenen Baumaßnahmen auch zulassungspflichtige Handwerke aus der Anlage A zur Handwerksordnung (HwO) erbringe. Entgegen der Behauptung der Antragstellerin sei für die Erbringung dieser Arbeiten gemäß dem vorliegenden Leistungsverzeichnis keine Eintragung in die Handwerksrolle vorgeschrieben. Die Beigeladene betreibe gerade keinen handwerksmäßigen Gewerbebetrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 HwO.
69
Aus der Ausübung einer in einem zulassungspflichtigen handwerklichen Berufsbild genannten Tätigkeit allein folge noch nicht, dass es sich um eine der Handwerksordnung unterliegende, handwerksmäßige Tätigkeit handele. Vielmehr handele es sich bei der Beigeladenen um einen Industriebetrieb.
70
Der Begriff des „Handwerks" werde im Unterschied zur „Industrie" nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes und der Literatur u.a. durch folgende Merkmale definiert:
71
- der beschränkten, überschaubaren Betriebsgröße,
72
- geringerem Kapitalbedarf
73
- persönliche Mitarbeit des Inhabers nicht nur in der Geschäftsführung,
74
- Tätigkeit auf Bestellung, Spezialanfertigungen
75
- geographisch beschränktes Absatzgebiet
76
- überwiegend Handarbeit fachlich vorgebildeter Mitarbeiter bei maschineller Unterstützung
77
- geringe Beschäftigtenzahl
78
- geringe Arbeitsteilung.
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Bei der Mitarbeiteranzahl, dem jährlichen Gesamtumsatz sowie dem Maschinenpark der Beigeladenen könne man nicht mehr von einer beschränkten, überschaubaren Betriebsgröße sprechen. Bei der Ausführung der Baumaßnahmen im Tief- und Straßenbau überwiege ganz massiv maschinelle Arbeit gegenüber geringfügiger Handarbeit (Handschachtung).
80
Auf den Baustellen herrsche Arbeitsteilung und Spezialisierung, was sich auch aus der Auflistung der Qualifikation der Mitarbeiter ergebe. Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Industriebetrieben und Handwerksbetrieben im Baugewerbe verweist die Beigeladene auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 1965 (BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1965 — VII C 77.64 —, BVerwGE 20, 263-269).
81
Ein handwerksmäßiger Betrieb mit einer Verpflichtung zur Eintragung in der Handwerksrolle würde nur bestehen, wenn der handwerkliche Betriebsteil (= Hauptbetrieb) den Industriebetrieb dominieren würde. Die Beigeladene sei jedoch ein Unternehmen mit industrieller Betriebsweise. Somit sei auch nur die IHK-Mitgliedschaft (zwingend) erforderlich. Eine Eintragung in die Handwerksrolle sei gerade nicht erforderlich und daher auch kein Ausschlussgrund.
82
Weiterhin wurde die Handwerkskammer zu Leipzig mit Schreiben vom 3. Februar 2017 durch die Vergabekammer um fachliche Stellungnahme gebeten. Mit Schreiben vom 13. Februar 2017 führt sie zum Sachverhalt aus, dass Straßen- bzw. Tiefbauarbeiten durch Handwerks- und/oder Industriebetriebe möglich seien. Sollten jedoch handwerkliche Tätigkeiten im zulassungspflichtigen Straßenbauerhandwerk erfolgen, so sei eine Eintragung in der Handwerksrolle erforderlich. Sei eine Firma im Gegensatz dazu industriell tätig, so erfolge die Registrierung bei der jeweils zuständigen Industrie- und Handelskammer. Ein Industriebetrieb würde nicht in die Handwerksrolle eingetragen werden müssen. Die in der Bekanntmachung beschriebenen Straßen- und Tiefbauarbeiten könnten sowohl durch Handwerks- als auch durch Industriebetriebe ausgeführt werden.
II.
83
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.
84
Gemäß § 19 Abs. 3 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Sachsen-Anhalt (Landesvergabegesetz - LVG LSA vom 19. November 2012, veröffentlicht im GVBl. LSA Nr. 23/2012, ausgegeben am 30. November 2012) ist die 3. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt für die Nachprüfung des vorliegenden Vergabeverfahrens örtlich und sachlich zuständig.
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Entscheidend für die Feststellung der Zuständigkeit ist hier die Beurteilung der Kostenschätzung für die Leistung. Diese liegt unterhalb der in § 106 Abs. 2 Punkt 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) geregelten Schwellenwerte. Damit ist die 3. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt nach Ziffer 3 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Vergabekammern (Bek. des MW vom 17.04.2013, MBL LSA Nr. 14/2013) zuständig.
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Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber gemäß § 2 Abs. 2 LVG LSA.
87
Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Arbeiten an baulichen Anlagen, damit ist die VOB/A gemäß § 1 Abs. 2 LVG LSA anzuwenden. Der maßgebliche Gesamtauftragswert von 150.000 Euro für die Vergabe von Bauleistungen nach § 19 Abs. 4 LVG LSA ist überschritten.
88
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt. Sie hat durch die Abgabe eines Angebotes ihr Interesse am betreffenden Auftrag hinreichend bekundet.
89
Die Antragstellerin hat die von ihr behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften im Sinne von § 19 Abs. 1 und 2 LVG LSA beanstandet.
90
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist jedoch unbegründet, da die Antragstellerin eine Verletzung ihrer Rechte im Sinne von § 19 Abs. 2 LVG LSA nicht geltend machen kann.
91
Die Wertung der Antragsgegnerin ist nicht zu beanstanden.
92
Das Angebot der Beigeladenen ist nicht auszuschließen, weil sie aufgrund der Neugründung des Unternehmens im Jahr 2016 keine ausreichenden Referenzen und Umsatzzahlen vorzuweisen habe. Die Beigeladene ist infolge von Betriebsübergängen neu gegründet worden, wobei die Betriebsmittel und Arbeitnehmer auf sie übergegangen sind. Ein Bieter, der durch Neugründung aus einem Unternehmen hervorgegangen ist, die gleichen Personen beschäftigt, über das bisher vorhandene Know-how verfügt und mit im Wesentlichen denselben Anlagen und Werkzeugen arbeitet, kann auf Nachfrage des Auftraggebers auch auf Arbeiten als Referenz verweisen, die dieselben Mitarbeiter in der früheren Firma erbracht haben (VK Südbayern, B. v. 17.03.2015 - Az.: Z3-3-3194-1-56-12/14). Die Heranziehung der entsprechenden Umsatzzahlen und Referenzen ist damit zulässig. Die entsprechenden Nachweise wurden durch die Bieterin vorgelegt und durch die Antragsgegnerin geprüft.
93
Weiterhin ist sie nicht mangels Eintragung in die Handwerksrolle auszuschließen.
94
Eine Eintragung in die Handwerksrolle als zwingendes Eignungskriterium war weder in der Bekanntmachung noch in den Vergabeunterlagen vorgeschrieben.
95
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A werden Bauleistungen an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen zu angemessenen Preisen in transparenten Vergabeverfahren vergeben.
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Gemäß § 6a Abs. 1 und 2 Nr. 4 VOB/A ist zum Nachweis ihrer Eignung die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bewerber oder Bieter zu prüfen. Der Nachweis umfasst u.a. die Eintragung in das Berufsregister ihres Sitzes oder Wohnsitzes.
97
Als Berufsregister kommt die Handwerkskammer oder die Industrie- und Handelskammer (IHK) in Betracht.
98
Die Beigeladene hat wahrheitsgemäß erklärt, dass sie als Industriebetrieb Mitglied der Industrie- und Handelskammer ist. Hieraus zu schließen, dass diese entsprechende Erklärung in Verbindung mit der Anlage 6 LVG LSA zum Ausschluss des Angebotes führt, würde zu einer Verletzung des Gleichheitsgebotes führen.
99
Die Anlage 6 zum LVG LSA wiederholt lediglich gesetzliche Regelungen. Ein Bieter darf natürlich nur eintragungspflichtige Arbeiten entsprechend der Anlage A zur HwO ausführen, wenn er für diese in der Handwerksrolle eingetragen ist. Er ist jedoch gemäß § 1 HwO nur eintragungspflichtig, wenn er den selbständigen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe handwerksmäßig betreibt. Ein Gewerbebetrieb in diesem Sinne ist ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird.
100
Die Beigeladene ist jedoch als Industriebetrieb in der Industrie- und Handelskammer registriert, hierfür verweist die Vergabekammer auf den entsprechenden Sachvortrag. Da es sich um einen Industriebetrieb handelt, sieht auch die zuständige Handwerkskammer keine Eintragungspflicht in die Handwerksrolle. Wenn ein Betrieb jedoch nicht eintragungspflichtig ist, weil er die ausgeschriebenen Leistungen industriell ausführt, dann ist die Eignung durch die Zugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer nachgewiesen. Zuständig für die Beurteilung der Kammerzugehörigkeit sind die zuständigen Kammern - die Handwerkskammer und die Industrie- und Handelskammer. Eine ordnungsgemäße Registrierung in der zuständigen Kammer liegt hier als Eignungsnachweis zweifelsfrei vor.
101
Die mit der Erklärung zur Handwerksrolleneintragung im Sinne der Handwerksordnung Anlage A (Anlage 6 LVG LSA) einhergehende Klarstellung der Beigeladenen zur Zugehörigkeit zur IHK ist damit für die Wertung der Erklärung unschädlich (AZ: 3 VK LSA 82/14 - 17.10.2014). Sie hat ihre Eignung nachgewiesen. Eine Ausführung der ausgeschriebenen Leistung ist sowohl handwerksmäßig als auch industriell möglich. Eine andere Wertung der Anlage 6 würde zur Ungleichbehandlung von Bietern führen, die als Industriebetriebe nur in der IHK registriert sind.
102
Aus den vorgenannten Gründen war daher der Antrag als unbegründet zurückzuweisen.
103
III.
Kosten
104
Die Kostenentscheidung beruht auf § 19 Abs. 5 Satz 1 - 3 LVG LSA. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da die Nachprüfung keinen Erfolg i.S.v. § 19 Abs. 5 Satz 4 LVG LSA hatte und die Antragstellerin zu der Amtshandlung Anlass gegeben hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG LSA).
105
Kostenfestsetzung
106
Die Höhe der Gebühren bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der 3. Vergabekammer i.V.m. § 19 Abs. 5 Satz 2 LVG LSA i.V.m. § 3 Abs.1 lfd. Nr. 3 und 4 AllGO LSA unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes der Vergabeprüfung. Die Gebühr beträgt mindestens 100,00 Euro, soll aber den Betrag von 1.000,00 Euro nicht überschreiten (§ 19 Abs. 5 Satz 3 LVG LSA i.V.m. § 10 Abs. 1 und 2 VwKostG LSA).
107
Die Gesamtkosten gliedern sich auf in Gebühren in Höhe von … Euro (§ 19 Abs. 5 S. 3 LVG LSA) und Auslagen in Höhe von … Euro (§ 14 Abs. 1 VwKostG LSA).
108
Die Einzahlung des Betrages in Höhe von … Euro hat bis zum 14.03.2017 durch die Antragstellerin unter Verwendung des Kassenzeichens 3300-… auf das Konto bei der Landeshauptkasse Sachsen-Anhalt, Deutsche Bundesbank Magdeburg, IBAN: DE21810000000081001500 zu erfolgen.
109
Der ehrenamtliche Beisitzer, Herr …, hat den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin der Vergabekammer ermächtigt, den Beschluss allein zu unterzeichnen. Ihm lag dieser Beschluss hierzu vor.