Montag, 14. August 2017

Erdwärmenutzung im Wasserschutzgebiet

Verwaltungsgerichtshof Hessen
Beschl. v. 17.08.2011, Az.: 2 B 1484/11
Erdwärmenutzung im Wasserschutzgebiet

Verfahrensgang:

vorgehend:
VG - 17.06.2011 - AZ: 1 L 1062/11.GI

Rechtsgrundlagen:

§ 9 Abs 2 Nr 2 WHG
§ 127 BBergG
§ 9 Abs 1 Nr 4 WHG
§ 12 Abs 1 Nr 1 WHG
§ 48 Abs 1 WHG
§ 49 Abs 1 WHG

VGH Hessen, 17.08.2011 - 2 B 1484/11

Leitsatz

Die wasserrechtliche Erlaubnis zur Einbringung und zum Betrieb einer Erdwärmesonde, die grundwasserführende Schichten erreicht, ist in einem Trinkwasserschutzgebiet zu versagen, soweit damit verbundene Gefahren für das Grundwasser nicht durch mit vertretbarem Aufwand durchgeführte Kontrollen auszuschließen sind.

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 17. Juni 2011 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung aufgehoben.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 8. Februar 2011 wiederhergestellt.
Der Antragsgegner hat die Kosten des gesamten vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1
I.
Die antragstellende Gemeinde wendet sich gegen eine bergrechtliche Betriebsplanzulassung einschließlich einer wasserrechtlichen Erlaubnis, die der Antragsgegner den Beigeladenen zur Durchführung von Bohrarbeiten und zum Einbau sowie Betrieb einer Erdwärmesonde auf ihrem Grundstück erteilt hat. Das Grundstück der Beigeladenen liegt in der Zone III A des Wasserschutzgebiets, das zum Schutz einer Trinkwassergewinnungsanlage der Antragstellerin, der Trägerin der Wasserversorgung für ihr Gemeindegebiet, festgesetzt ist.
2
Die Beigeladenen möchten auf ihrem Baugrundstück innerhalb der bebauten Ortslage, aber gleichzeitig im genannten Trinkwasserschutzgebiet, ein Wohnhaus errichten und dieses mit Erdwärme beheizen. Zur Einbringung der Sonde wollen sie eine Bohrung bis zu einer Tiefe von 115 m vornehmen. Sie zeigten dies beim Antragsgegner an und beantragten gleichzeitig unter dem 22. Juni 2010 die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis für das Vorhaben. Der Antragsgegner holte eine fachliche Stellungnahme des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie zu dem Bohrungsvorhaben im Trinkwasserschutzgebiet ein. Die Fachbehörde führte aus, die geplanten Bohransatzpunkte lägen im Grundwasseranstrom des geschützten Tiefbrunnens. Grundwasser werde aus einer Tiefe zwischen 12 und 53 m unter Geländeoberkante entnommen. Während der Bohrung bestehe die Gefahr einer Verunreinigung bzw. Eintrübung des geförderten Grundwassers. Eine langfristige nachteilige qualitative Beeinflussung des Grundwassers sei durch eine fehlerhafte Abdichtung des Bohrlochs (unsachgemäße Einbringung des Verpressmaterials oder unzureichende Eigenschaften des Verdämmstoffes) nicht vollständig auszuschließen. Der Bohrung könne aus hydrogeologischer Sicht zugestimmt werden, wenn - in der Stellungnahme im Einzelnen benannten - technischen Anforderungen an die Bauausführung und den Betrieb von Erdwärmesonden entsprochen werde. Auf Nachfrage der Genehmigungsbehörde führte das Landesamt ergänzend aus, bei günstigen Untergrundverhältnissen und bei sachgemäßer Bohrarbeit sei nicht von einer Gefahr für die Trinkwasserversorgung auszugehen. Das Gefährdungspotenzial hänge von den „am Bohrpunkt im Detail noch unbekannten geologischen Verhältnissen und vom Geschick und Glück der Bohrmannschaft“ ab. Wenn die Abdichtung der Bohrung misslinge, bestehe die Gefahr eines Dauerschadens für das Grundwasser. Die Antragstellerin wurde im Genehmigungsverfahren ebenfalls beteiligt und äußerte Bedenken hinsichtlich der Gefährdung ihrer Trinkwasserversorgungsanlage.
3
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Februar 2011 erteilte der Antragsgegner den Beigeladenen die bergrechtliche Betriebsplanzulassung nach § 56 BBergG für die Durchführung von Bohrarbeiten, den Sondenausbau und den Betrieb einer Wärmepumpen-Anlage sowie die Erlaubnis für die Benutzung des Grundwassers durch eine Maßnahme, die geeignet ist, in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen. Der Bescheid enthält Nebenbestimmungen, mit denen u. a. das Verfahren für die Verpressung des Bohrlochs nach dem Einbau der Sonde (Nebenbestimmungen 21 bis 23) sowie das Erfordernis, die Erdwärmesonde im Untergrund frostfrei zu betreiben und dies mit einem integrierten Frostwächter abzusichern (Nebenbestimmung Nr. 27), geregelt werden.
4
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin fristgerecht Klage zum Verwaltungsgericht und hat aufgrund der nachträglichen Anordnung des Sofortvollzugs des Bescheides mit dem vorliegenden Antrag die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt. Sie hält die erteilte Genehmigung für rechtswidrig und ihre Rechte als Trägerin der Trinkwasserversorgung im Gemeindegebiet hierdurch verletzt. Die Besonderheit des Falles liege darin, dass die Bohrung innerhalb des Trinkwasserschutzgebiets vorgenommen werden solle und bereits nach den Regelungen der Wasserschutzgebietsverordnung der Erdaufschluss unzulässig sei. An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Trinkwasser seien nur geringe Anforderungen zu stellen, es gelte der sog. Besorgnisgrundsatz. In Wasserschutzgebieten sei dem Schutz des Grundwassers Vorrang vor der Erdwärmenutzung einzuräumen. Es sei zu berücksichtigen, dass negative Folgen einer schädigenden Bohrung nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten und deshalb verheerende Folgen für die Trinkwasserversorgung der Einwohner hätten.
5
Der Antragsgegner hat ausgeführt, es sei durchaus berechtigt, eine Gefährdung des Brunnens durch den späteren Betrieb der Erdwärmesonde anzunehmen. Die gewichtige Gefährdung bestehe darin, dass durch unsachgemäße Ausführung der Verpressungsarbeiten das Bohrloch nicht vollständig abgedichtet sei. Es gebe derzeit keine Möglichkeit, den Abdichterfolg im Untergrund mit vertretbarem messtechnischen Aufwand zu kontrollieren. Gleichwohl habe man nicht eine Gefährdung der Wasserversorgung wissentlich in Kauf genommen. Bei Beachtung der Nebenbestimmungen und sachgemäßer Ausführung der Arbeiten sei kein Schaden zu erwarten.
6
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
7
Durch den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag abgelehnt. Die Betriebsplanzulassung und die wasserrechtliche Erlaubnis seien rechtmäßig. Es sei keine Schädigung des Grundwassers zu erwarten. Dies werde durch die Nebenbestimmungen des Bescheides, u. a. zum frostfreien Betrieb, gewährleistet. Der noch weitergehende Anforderungen stellende sog. Besorgnisgrundsatz gelte entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht.
8
Mit ihrer Beschwerdebegründung macht die Antragstellerin geltend, das Verwaltungsgericht habe die weitergehenden Anforderungen aufgrund der Wasserschutzgebietsverordnungen nicht hinreichend beachtet.
9
II.
Die gemäß §§ 146, 147 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Nach den dem Senat im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zugänglichen tatsächlichen Erkenntnissen hätte die wasserrechtliche Erlaubnis für die Durchführung von Bohrarbeiten und den Betrieb einer Erdwärmesonde in einer Tiefe bis zu 115 m in dem ausgewiesenen Trinkwasserschutzgebiet im Ortsteil Wolzhausen der Antragstellerin vom 18. September 1981 (Staatsanzeiger für das Land Hessen, S. 1954) nicht erteilt werden dürfen. Die Antragstellerin als Trägerin der Trinkwasserversorgung für ihr Gemeindegebiet wird hierdurch auch in ihren Rechten aus Art. 28 Abs. 2 GG verletzt. Unter diesen Umständen überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das Vollzugsinteresse der Beigeladenen und auch die öffentlichen Vollzugsinteressen (§§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
10
Die von der Bergbehörde des Antragsgegners gemäß § 19 Abs. 2 des Wasserhaushaltsgesetzes - WHG - i. V. m. § 127 des Bundesberggesetzes - BBergG - erteilte wasserrechtliche Erlaubnis ist hiernach rechtswidrig, weil die zwingenden Versagungsvoraussetzungen nach § 12 Abs. 1 WHG vorliegen. Nach dieser Vorschrift ist eine wasserrechtliche Erlaubnis zu versagen, wenn schädliche, auch durch Nebenbestimmungen nicht vermeidbare oder nicht ausgleichbare Gewässerveränderungen zu erwarten sind (Nr. 1) oder andere Anforderungen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften (Nr. 2) nicht erfüllt werden.
11
Es kann offen bleiben, ob der von der Antragstellerin geltend gemachte Verstoß gegen die Wasserschutzgebietsverordnung auch unter den Begriff der „anderen Anforderungen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ nach Nr. 2 oder allein unter die wasserrechtsbezogene Versagungsvoraussetzung nach Nr. 1 fällt. Denn die Gebote und Verbote einer Wasserschutzgebietsverordnung, die auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 52 Abs. 1 WHG (früher: § 19 WHG a. F.) aufgestellt werden können, dienen jedenfalls dem Schutzziel, schädliche Gewässerveränderungen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG zu vermeiden und wasserrechtliche Erlaubnisse dürfen nur im Rahmen der Anordnungen für ein Wasserschutzgebiet erteilt werden (Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, 10. Auflage, § 52 WHG Rn. 8). § 12 Abs. 1 Nr. 2 WHG kommt in erster Linie zur Anwendung bei der Prüfung von Vorschriften außerhalb des Wasserrechts (siehe Czychowski/Reinhardt, a. a. O., § 12 WHG Rn. 29). Die Anwendung des § 12 Abs. 1 WHG im Hinblick auf die von der Antragstellerin angesprochenen Verbote der Wasserschutzgebietsverordnung ist fraglich, weil zweifelhaft ist, ob es sich bei dem Vorhaben der Beigeladenen um einen Erdaufschluss handelt, der gemäß der Verbotsnorm des § 2 Abs. 2, 2. Halbsatz Nr. 11 der Wasserschutzgebietsverordnung die Deckschichten über dem Grundwasser „wesentlich vermindert“.
12
Nach Auffassung des Senats hätte die Erlaubnis für die Durchführung von Bohrarbeiten und den dauernden Betrieb einer Erdwärmesonde in der Zone III A des Wasserschutzgebiets versagt werden müssen, weil durch diese Maßnahmen schädliche, auch durch Nebenbestimmungen nicht vermeidbare und nicht ausgleichbare Veränderungen des Grundwassers (§ 3 Nr. 3 und Nr. 10 WHG) zu erwarten sind.
13
Die Bohrung bis zu einer Tiefe von 115 m zum Zwecke des Einbringens und des Betriebs einer Erdwärmesonde bedurfte einer wasserrechtlichen Erlaubnis. Dies könnte aus § 9 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Satz 2 WHG hergeleitet werden. Diese Vorschriften stellen möglicherweise eine spezielle Regelung der Erlaubnispflichtigkeit für Erdaufschlüsse dar, bei denen Stoffe in das Grundwasser eingebracht werden, soweit sich das Einbringen nachteilig auf die Grundwasserbeschaffenheit auswirken kann. Demgegenüber hat der Antragsgegner eine Erlaubnis nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG erteilt unter dem Blickwinkel einer Maßnahme, die geeignet ist, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen. Beide rechtlichen Einordnungen führen hier zum gleichen Ergebnis.
14
Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien hat der Gesetzgeber bei der Normierung der §§ 9 Abs. 1 Nr. 4 und 49 Abs. 1 Satz 2 WHG das Einbringen von Erdwärmesonden im Blick gehabt. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/12275, S. 55) ist zu § 9 WHG die Rede davon, dass eine wichtige Ausnahme von der Erlaubnispflicht für das Einbringen fester Stoffe in das Grundwasser sich aus § 49 Abs. 1 Satz 2 WHG ergeben könne, der „z. B. auch auf das Einbringen von Erdwärmesonden, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen, Anwendung findet“. Dies spricht dafür, beim Einbringen von Erdwärmesonden den Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG als erfüllt anzusehen (im Ergebnis so: Czychowski/Reinhardt, a. a. O., § 9 Rn. 64). Dabei ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers aber wohl in erster Linie an das Einbringen des „Stoffes“ der Sonde in die grundwasserführenden Schichten zu denken (vgl. BT-Drucks. 16/12275, S. 66, wo ausgeführt wird, dass im Allgemeinen von einer Erlaubnisfreiheit ausgegangen werden könne, wenn für einen einzubringenden „Baustoff“ eine europäische technische Zulassung oder eine bauaufsichtliche Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik nach dem Bauproduktengesetz vorliege). Möglich erscheint auch, dass durch die auf das Durchstechen der grundwasserführenden Schichten gerichteten Bohrarbeiten mineralische Stoffe ins Grundwasser gelangen (siehe zu dieser Betrachtungsweise bereits zur Rechtslage nach dem WHG a. F.: Knopp in: Siedler-Zeitler-Dahme, Wasserhaushaltsgesetz, Loseblatt-Kommentar Stand Juli 2006, § 3 WHG Rn. 19a).
15
Die Erlaubnispflicht nach § 49 Abs. 1 Satz 2 WHG ergibt sich bei dieser rechtlichen Einordnung ohne Weiteres aus den vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie aufgezeigten und bereits dargestellten Gefahren von Geothermiebohrungen. Diese Gefahren bestehen einerseits in der vorübergehenden Trübung des Grundwassers aufgrund der Bohrung selbst und andererseits vor allem aus der Gefahr einer ungenügenden Verpressung des Bohrlochs, aufgrund der dauerhaft Oberflächenwasser in die Tiefe eindringen und das Grundwasser erreichen kann. Diese Umstände führen bei der anderen rechtlichen Einordnung zur Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG.
16
Die Erlaubnis durfte unabhängig davon, ob sich die Erlaubnispflichtigkeit aus § 9 Abs. 2 Nr. 2 oder aus § 9 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Satz 2 WHG ergibt, nicht erteilt werden, weil die für beide Benutzungstatbestände gleichermaßen geltenden zwingenden Versagungsvoraussetzungen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG gegeben sind. Bei der Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG handelte es sich sogar um eine Benutzung des Grundwassers durch das Einbringen von Stoffen, für die ohne Weiteres gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 WHG der noch strengere „Besorgnisgrundsatz“ gelten würde.
17
Es kann auch offen bleiben, ob die nach Aussagen der Fachbehörde aufgrund des Bohrungsvorgangs möglicherweise zu erwartende vorübergehende Trübung des Grundwassers durch mineralische Stoffe bereits die Voraussetzung einer „schädlichen Gewässerveränderung“ im Sinne der §§ 12 Abs. 1 Nr. 1, 3 Nr. 10 WHG erfüllt, oder ob es sich insoweit um unerhebliche, weil nur kurzzeitige Auswirkungen handelt (siehe zum möglichen Ausschluss lediglich kurzzeitiger oder sonst wie geringfügiger Gewässerveränderungen Czychowski/Reinhardt, a. a. O., § 12 Rn. 17). Denn jedenfalls begründet die zweite und von der Fachbehörde hervorgehobene Gefahr, dass durch unsachgemäße Verpressung des Bohrlochs dauerhaft potenziell verschmutztes Oberflächenwasser in die grundwasserführenden Schichten gelangt, im Falle ihres Eintretens eine tatbestandsmäßige schädliche Gewässerveränderung des Grundwassers.
18
Diese schädliche Gewässerveränderung ist nach Auffassung des Senats in einem Trinkwasserschutzgebiet auch nach dem Maßstab des § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG auf der Grundlage der dargestellten sachverständigen Aussagen „zu erwarten“. Eine Beeinträchtigung ist zwar grundsätzlich erst dann „zu erwarten“, wenn sie nach allgemeiner Lebenserfahrung oder anerkannten fachlichen Regeln wahrscheinlich ist und ihrer Natur nach auch annähernd voraussehbar ist (Czychowski/Reinhardt, a. a. O., § 12 WHG Rn. 25 m. w. N. aus der Rechtsprechung). Nicht genügend ist nach diesem Maßstab grundsätzlich eine bloß entfernte Möglichkeit oder Besorgnis einer Gefährdung (Czychowski/Reinhardt, a. a. O.).
19
Gleichwohl müssen bei einer Auslegung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG nach Sinn und Zweck der Regelung für den dauernden Betrieb einer Erdsonde gerade in einem Trinkwasserschutzgebiet erhöhte Anforderungen gelten, die dem Besorgnisgrundsatz nahekommen. Dies ergibt sich aus der allgemein anerkannten Erwägung, dass bei der Bestimmung des Maßstabs der Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Gewässerbeeinträchtigung auch das Gewicht eines möglichen Schadens entscheidend berücksichtigt werden muss. Je stärker das Wohl der Allgemeinheit bei Eintritt eines Schadens beeinträchtigt werden kann, desto geringer kann der Grad der Wahrscheinlichkeit sein (Czychowski/Reinhardt, a. a. O., § 12 WHG Rn. 25 m. w. N. aus der Rechtsprechung). Der Gesetzgeber misst der sicheren Gewährleistung der öffentlichen Wasserversorgung innerhalb der wasserwirtschaftlichen Benutzungsordnung die höchste Bedeutung zu (siehe in diesem Sinne etwa auch Bay. VGH, Urteil vom 12. Juli 1977 - Nr. 525 VIII 75 -, DVBl. 1977, 932; VGH Mannheim, Urteil vom 6. März 1991 - 5 S 2630/89 -, juris Rn. 30). Dies zeigt sich in gesetzlichen Normierungen wie etwa § 3 Nr. 10 WHG, der die öffentliche Wasserversorgung hervorgehoben benennt, ferner etwa auch in der weitreichenden Ermächtigung zur Einschränkung von Grundstücksnutzungen in Wasserschutzgebieten nach § 52 Abs. 1 WHG.
20
Hiernach muss jedenfalls in Trinkwasserschutzgebieten dem ohnehin schon besonders bedeutsamen Schutz des Grundwassers vor Verunreinigungen (siehe dazu etwa auch BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300, juris Rn. 152 ff.) eine alle anderen Belange überragende Bedeutung zukommen. Somit sind an die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens in einem Trinkwasserschutzgebiet nur geringe Anforderungen zu stellen. Unter diesen Umständen ist nach Auffassung des Senats entscheidend, dass - nach mehrfach betonter - Auffassung der zuständigen Fachbehörde Gefahren für das als Trinkwasser zu verwendende Grundwasser aufgrund unsachgemäßer Durchführung der Verpressung des Bohrlochs nicht ausgeräumt werden können, solange - wie derzeit - der Abdichtungserfolg der Verpressung nicht mit messtechnisch vertretbarem Aufwand kontrolliert werden kann. Zwar ist hiernach ein dichter Verschluss des Bohrloches bei sachgemäßer Ausführung der Arbeiten möglich und eine Grundwassergefährdung dann nicht zu befürchten. Nach der Stellungnahme der Fachbehörde ist es aber durch die Anordnung von Nebenbestimmungen nicht möglich, eine unzureichende Verpressung auszuschließen oder zumindest eine derartige mangelhafte Arbeit nachzubessern, wenn sie erkannt worden ist. Somit durfte auch bei Zugrundelegung der Annahme, dass die hier in Rede stehenden Maßnahmen lediglich den Auffangtatbestand nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG erfüllen, die beantragte Genehmigung nicht erteilt werden.
21
Dies gilt erst recht, wenn infolge der Anwendung des Benutzungstatbestandes nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG über § 48 Abs. 1 WHG für eine Erteilung der Erlaubnis ausgeschlossen werden muss, dass eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit „zu besorgen ist“.
22
Die Erlaubnis musste dagegen nicht versagt werden im Hinblick auf die von der Antragstellerin weiterhin befürchtete Gefahr eines Undichtwerdens des Verfüllstoffes durch wiederkehrende Frost-/Auftaubeanspruchung. Dieser Gefahr kann zuverlässig begegnet werden durch die Anordnung und Überwachung eines frostfreien Betriebs der Erdwärmesonde. Das ist im angefochtenen Bescheid auch in der Nebenbestimmung Nr. 27 geschehen. Durch diese Bestimmung ist sichergestellt, dass eine sachgerecht ausgeführte Verpressung nicht nachträglich durch Frost-/Tauwechselbeanspruchung undicht wird.
23
Der Antragsgegner hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist. Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt, deswegen können ihnen keine Kosten auferlegt werden (§ 154 Abs. 3 VwGO).
24
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. Nrn. II. 1.5 und 11.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327). Im Hinblick auf den Charakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens wird der dortige Ansatz halbiert. Gegen die entsprechende Festsetzung des Streitwerts durch das Verwaltungsgericht sind keine Einwendungen erhoben worden.
25
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3 und 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).