Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17.01.2014 verkündete Urteil
der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 273/13 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
I. Die Klägerin betreibt ein mittelständisches Unternehmen im Bereich Heizung, Sanität und
Klimatechnik. Sie hatte bei der Beklagten eine Betriebshaftpflichtversicherung
abgeschlossen, der die AHB (Bl. 48 ff.) und die Besonderen Bedingungen und
Risikobeschreibungen für die Betriebs/Berufshaftpflichtversicherung zugrunde lagen (AH
1070 01.2008, Bl. 14 ff. ).
Nach § 4 I Ziffer 6 AHB besteht
„…Kein Versicherungsschutz für Ansprüche
- auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf
Schadensersatz statt Leistung …“.
In II § 5 AHB heißt es:
„
1. Versicherungsfall im Sinne dieses Vertrages ist das Schadensereignis, das
Haftpflichtansprüche gegen den VN zur Folge haben könnte …“
In Teil II § 4 „Deckungserweiterungen“ der Besonderen Bedingungen heißt es :
„ 4.1. Vermögensschäden/Verletzung Datenschutzgesetze
4.1.1. Mitversichert ist im Rahmen des Vertrages die gesetzliche Haftpflicht wegen
Vermögensschäden im Sinne von § 1 Ziffer 3 AHB aus Versicherungsfällen, die während der
Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind. Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche
aus:
- Schäden, die durch vom Versicherungsnehmer (oder in seinem Auftrag oder seine
Rechnung) hergestellte oder gelieferte Sachen oder geleistete Arbeiten entstehen ……
4.6 Tätigkeitsschäden
Eingeschlossen sind – abweichend von Ziffer I 6 b) AHB und Ziffer 7 I 8 AHB – gesetzliche
Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder
berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind,
und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden …
Die Ausschlussbestimmungen des § 4 Ziffer I 6 Abs.3 AHB
HB (Erfüllungsansprüche) ….bleiben bestehen.:::“
Die Klägerin war beauftragt, eine Trinkwasser-Installation in einem heilpädagogischen
Wohnheim in C zu errichten. Im September 2009 stellte sich heraus, dass die installierte
Anlage, die aber noch nicht betrieben wurde, aufgrund verschiedener Ursachen mangelhaft
war. Die Klägerin meldete dies am 26.01.2010 an die Beklagte. Es lag an mehreren
Entnahmestellen ein Legionellenbefall vor. Eine Untersuchung durch einen Sachverständigen
ergab, dass die Verantwortlichkeit für das Auftreten von Legionellen überwiegend beim
Fachplaner lag (Gutachten vom 16.03. 2010 U GmbH, Prof. Dr. T, Bl 117 ff, 175).
Ein im selbständigen Beweisverfahren erstattetes Gutachten von Prof. Dr. L (LOW – E. …
GmbH) Landgericht Kassel – 4 OH 42/10 – kam zu dem Ergebnis, dass der
Verursachungsbeitrag der Klägerin 25 % betrug, und zwar aufgrund der unsachgemäßen
Rohrleitungsführung, insbesondere im Bereich der Wandinstallation, den Mängeln bei der
Dämmung sowie der mangelhaften Spülung des Netzes und dem Einbau falscher
Vollstromabsperrventile.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten als Anlage zu 4 OH 42/10 LG
Kassel (dort u.a. Seite 83) verwiesen.
Nach Absprache mit dem Gesundheitsamt erfolgte daraufhin ein provisorischer Einbau von
Filtern, die eine befristete legionellenfreie Nutzung der Anlage bis zur Sanierung der
Trinkwasserinstallation ermöglichten.
Von den Kosten für diese Maßnahme von 159.251,66 € trug die Klägerin
25 % gleich 39.812,92 €. Insoweit begehrt sie Ersatz von der Beklagten, was diese
außergerichtlich ablehnte.
Die Klägerin hat vorgetragen, auch wenn kein Anspruch auf Entschädigung von
Mängelbeseitigungskosten bestehe, so handele es sich hier um Maßnahmen, die über die
reine Vertragserfüllung hinausgingen. Die Aufwendungen seien wegen der
Gesundheitsgefahr für Dritte notwendig gewesen. Der Schaden betreffe nicht die
Vertragsleistung, sondern die Legionellen.
Außerdem seien die Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Rettungskosten nach den §§
82, 83 VVG gerechtfertigt.
Die Klägerin hat beantragt,die Beklagte zu verurteilen,
1. an sie 39.812,92 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 07.07.2010 zu zahlen,
2. an sie einen Betrag in Höhe von 1.094,19 € außergerichtliche
Anwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat geltend gemacht, es habe kein Versicherungsfall vorgelegen. Ein
Versicherungsfall wegen Fremdschadens habe nicht bestanden, da die
Gesundheitsbeschädigung mittels der Filter abgewendet worden sei. Legionellenbefall sei
kein Sachschaden im Sinne von § 1 Ziffer 1 AHB.
Es liege wegen fehlerhafter Werkleistung ein nicht versicherter Erfüllungsschaden Im Sinne
von § 4 Ziffer 6 b AHB vor. Danach sei auch der Ersatz von Rettungskosten
ausgeschlossen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat u.a. ausgeführt, der Anspruch ergebe
sich aus den §§ 82, 83 VVG. Ein Versicherungsfall im Sinne von § 5 Ziffer 1 AHB sei
eingetreten. Der Vorgang sei mit dem nachgewiesenen Legionellenbefall in Gang gesetzt.
Es habe eine Gesundheitsgefahr für die Heimbewohner bestanden, auch wenn sie sich nicht
realisiert habe. Die Aufwendungen seien auch geboten gewesen. Der Ausschluss nach § 4
Ziffer 6 b AHB greife nicht, da bei der Realisierung der Gesundheitsgefahr ein
Mangelfolgeschaden vorgelegen hätte. Ziffer 4.4.1 BB Teil II betreffe nur Vermögensschäden
im Sinne von § 1 Ziffer 3 AHB. Hier seien die Schadensminderungskosten mit den
abgewendeten Sach- und Personenschäden verknüpft.
Auf das angefochtene Urteil und seine Feststellungen wird Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie macht geltend, das Urteil
verkenne, dass das Schadenereignis den Personenschaden unmittelbar auslösen müsse.
Bei Feststellung des Legionellenbefalls sei die Trinkwasseranlage aber noch gar nicht
fertiggestellt gewesen. Sie wäre niemals in Betrieb genommen worden. Aus diesem Grund
seien die Aufwendungen auch keine Rettungskosten, sondern Maßnahmen zu Vermeidung
des Versicherungsfalls. Zur Personenschädigung wäre es nur gekommen, wenn die
Trinkwasseranlage mit den Legionellen betrieben worden wäre.
Die Beklagte hat beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie macht geltend, der Eintritt des
Versicherungsfalls sei beim Einbau der Filter bereits „eröffnet“ gewesen. Bei ungehindertem
Fortgang hätte eine Schädigung Dritter unmittelbar herbeigeführt werden können.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.
Die beigezogenen Akten Landgericht Kassel - 4 OH 42/10 - sind Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen.
II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte weder aus der abgeschlossenen
Betriebshaftpflichtversicherung noch aus dem Gesichtspunkt der Rettungskosten nach den
§§ 82, 83 VVG ein Ersatzanspruch zu.
1. Ein Anspruch auf Entschädigung lässt sich nicht aus I § 1 Ziffer 1 AHB herleiten.
Danach gewährt der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den
Fall, dass er wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen
Schadenereignisses, das den Tod, die Verletzung oder Gesundheitsbeschädigung von
Menschen (Personenschaden) oder die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen
(Sachschaden) zur Folge hatte, für diese Folgen auf Grund gesetzlicher
Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in
Anspruch genommen wird. Versicherungsfall ist das Schadenereignis, das
Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte, Teil II § 5
Ziffer 1 AHB.
a) Die hier geltend gemachten Ersatzansprüche betreffen allerdings nicht Erfüllungsschäden
im Sinne von Teil I § 4 Ziffer 6 AHB (Teil II § 4.6 der Besonderen Bedingungen). Danach
besteht kein Deckungsschutz für Ansprüche auf Erfüllung, Nacherfüllung, aus
Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadensersatz statt der Leistung. Ansprüche,
die mit dem Ausgleich oder der Beseitigung des Mangelschadens zusammenhängen, fallen
aus der Deckung (Vgl. BGH VersR 2005, 110; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski,
VVG, 2. Aufl., Ziffer 1 AHB Rn. 39). Solche Ansprüche sind nicht im Streit. Vielmehr geht es
um die Kosten für den Einbau von „endständigen Filtern“, die eine befristete Nutzung der
Anlage bis zur Sanierung der Trinkwasserinstallation ermöglichten.
b) Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus Teil II, Ziffer 4.1.1 oder 4. 6 der Besonderen
Bedingungen unter dem Gesichtspunkt der Vermögensschäden. Im Hinblick auf Ziffer 4.1.1
greift bereits der Ausschluss ein, wonach keine Deckung besteht für Schäden, die durch vom
Versicherungsnehmer hergestellte oder gelieferte Sachen oder geleistete Arbeiten verursacht
sind. Im übrigen sind keine Sachschäden im Sinne von Ziffer 4.6 entstanden. Die
Herstellung einer mangelhaften Sache ist keine Sachbeschädigung (vgl. BGH VersR 2005,
110). Das trifft auch auf die – noch nicht abgenommene – Trinkwasseranlage einschließlich
des darin befindlichen Wassers zu. Damit liegen auch die Voraussetzungen von Ziffer 4.6 der
Besonderen Bedingungen nicht vor
2. Ein Anspruch ergibt sich aber auch nicht aus dem Gesichtspunkt der vorgezogenen
Rettungskosten nach den §§ 82, 83, 90 VVG.
a) Die Neuregelung des § 90 VVG gilt nur für die Sachversicherung
(Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 28. Aufl., § 90 Rn. 2; Looschelders/Pohlmann/SchmidtKessel,
§ 90 Rn. 2; MüKo-VVG/Staudinger § 90 Rn. 5;
Rüffer/Halbach/Schimikowski/Halbach, § 90 Rn. 2; zum alten Recht Senat, VersR 2002,
1231). Das folgt bereits aus dem systematischen Standort der Norm. Die Norm sollte der
sog. Vorerstreckungstheorie, die die Rettungsobliegenheit vorverlagert, in der
Sachversicherung Rechnung tragen. Danach kann der Versicherungsnehmer vom
Versicherer Ersatz beanspruchen, wenn er Aufwendungen getätigt hat zur Abwendung des
unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalls.
Eine Ausdehnung der Norm auf andere Zweige der Schadensversicherung bzw. eine analoge
Anwendung hat der Reformgesetzgeber ausdrücklich abgelehnt (Vgl. BT-Drucks. 16/3945 S.
83). Eine erweiternde Anwendung der Vorschrift über die Sachversicherung hinaus würde auf
eine allgemeine Schadensverhütungspflicht hinauslaufen und in den Regelungsgehalt des §
103 VVG eingreifen.
Im übrigen hat ein Sach- oder Personenschaden nicht unmittelbar bevorgestanden. Zum
Zeitpunkt der Feststellung des Legionellenbefalls war die Trinkwasseranlage noch nicht
fertiggestellt und in Betrieb genommen. Eine mikrobiologische Untersuchung der
Trinkwasserqualität von Warm- und Kaltwasser am 21.09.2009 durch die Umwelthygiene N
belegte eine Legionellenbelastung. Im späteren Abnahmetermin vom 25.11.2009 wurde der
Mangel gerügt. In der Folgezeit wurden dann verschiedene Maßnahmen vorgenommen.
Letztlich kam es zum Filtereinbau nach Absprache mit dem Gesundheitsamt, um einen
befristeten legionellenfreien Betrieb sicherzustellen.
Die Anlage wäre nicht in Betrieb genommen worden, wenn nicht die Filter eingebaut worden
wären, die eine befristete legionellenfreie Nutzung bis zur Gesamtsanierung der
Trinkwasserinstallation ermöglichte. Ein Personenschaden war daher nicht unmittelbar
bevorstehend, sondern nahezu ausgeschlossen.
Demnach hat die Berufung auch aus diesem Gesichtspunkt keinen Erfolg.
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert im vorliegenden
Einzelfall die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 39.812,92 €