Dienstag, 15. August 2017

Gebäudeenergieberatung: Einklagbarer Anspruch auf Erteilung einer Fördermittelbewilligung

Gebäudeenergieberatung: Einklagbarer Anspruch auf Erteilung einer für die Fördermittelbewilligung erforderlichen "Sachverständigen-Bescheinigung" bei falscher Berechnungsgrundlage; Art der Verurteilung zur Erwirkung von Handlungen


Leitsatz

Der Auftraggeber einer "Energieberatung" hat gegen den Berater keinen unmittelbar einklagbaren und fälligen Anspruch auf Ausfüllung einer für die Bewilligung von Fördermitteln erforderlichen "Sachverständigen-Bescheinigung" in bestimmter Art und Weise, wenn feststeht, dass hierfür erforderliche richtige Berechnungen - aus welchen Gründen auch immer - tatsächlich nicht vorliegen.(Rn.31) Die betreffende Verurteilung wäre auch eine solche zu einer nicht vertretbaren, nicht eine solche zu einer vertretbaren Handlung (siehe auch OLG Koblenz, 10 W 814/09).

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 20. Mai 2009 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe



I.

1
Der Kläger begehrt von dem Beklagten eine schriftliche Erklärung als Sachverständiger im Rahmen einer Energieberatung.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Mehrfamilienhauses A.straße 19 in B., für das er Fördermittel der C.-Bank in Anspruch nehmen will. Er beauftragte deshalb den Beklagten, der eine Energieberatung betreibt, mit der Ermittlung der energetisch notwendigen Sanierungsmaßnahmen nebst Kostenermittlung. Der Beklagte erhielt von dem Kläger einen Bauplan aus dem Jahre 1962 (Bl. 96 bis 101 d. A.) und erstellte eine Objektkurzbeschreibung mit einer Zusammenstellung der notwendigen Sanierungsmaßnahmen und Kosten (Bl. 6 d. A.), wofür er vereinbarungsgemäß ein Honorar von 250 € zuzüglich Mehrwertsteuer erhielt (vgl. Rechnung Bl. 26 d. A.).
3
Aufgrund der von dem Beklagten erstellten Antragsunterlagen wurde der Kläger in das Förderprogramm der C.-Bank aufgenommen. Die X Bank AG teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15. Oktober 2007 (Bl. 60 d. A.) mit, dass die eingereichten Unterlagen abschließend durch die C.-Förderbank geprüft worden seien und die Voraussetzungen für die Gewährung des Tilgungszuschusses von 12,5 % (Neubau-Niveau nach EnEV minus 30 %) erfüllt seien.
4
Der Kläger beauftragte den Beklagten mit der Bauleitung hinsichtlich der sachgerechten Ausführung der durchzuführenden Sanierungsmaßnahmen zu einem Pauschalhonorar von 1.700 € zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Arbeiten sind zwischenzeitlich ausgeführt. Da die tatsächliche Außenwandfläche und die Dachfläche an dem Haus größer sind als in den Antragsunterlagen dargestellt, ist eine Gebäudevermessung und darauf basierend eine Neuberechnung erforderlich; die Übernahme der dafür entstehenden Kosten hat der Kläger abgelehnt. Es ist derzeit unklar, ob durch die erfolgten Arbeiten Neubau-Niveau erreicht wird.
5
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Bestätigung des Sachverständigen über die planmäßige Durchführung der Maßnahmen nach Formular-Nr. 140169 (Bl. 29 d. A.) abzugeben. Der Beklagte hat dies unter anderem mit Hinweis auf eine Unrichtigkeit der ihm vom Kläger übergebenen Baupläne und deshalb erforderlicher Neuberechnung der Maßnahmen und Kosten verweigert (Bl. 7 d. A.).
6
Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte sei aufgrund der geschlossenen Verträge zur Erstellung der energetischen Nachweise und dementsprechend auch zur Abgabe der geforderten Erklärung verpflichtet. Sofern diese nach den bisher vom Beklagten erstellten Unterlagen unzutreffend wäre, müsse der Beklagte die Neuberechnung ohne gesonderte Honorierung als geschuldete Vorleistung vornehmen. Der Beklagte habe das Gebäude vor seiner Kostenermittlung mehrfach aufgesucht und Fotos angefertigt. Dem Beklagten seien deshalb die tatsächlichen Verhältnisse bekannt gewesen. Die Kellerräume seien als Aufenthaltsräume mit Dusche und WC geplant und genehmigt gewesen, damit auch legaler Wohnraum.
7
Der Kläger hat beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, die Erklärung des Sachverständigen auf der „Bestätigung des Sachverständigen und des ausreichenden Kreditinstituts nach Durchführung der Sanierung CO 2 -Gebäudesanie-rungsprogramm (130)“ abzugeben, insbesondere durch Ankreuzen kenntlich zu machen, ob er ein „im Bundesprogramm Vor-Ort-Beratung oder ein von der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.“ zugelassener Energieberater ist oder aber „eine nach § 21 EnEV ausstellungsberechtigte Person“ ist sowie seine Unterschrift zu leisten und seinen Stempel zu setzen sowie Ort und Datum der Erklärung anzugeben,
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2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 837,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Er hat vorgetragen, die Voraussetzungen für die von ihm geforderte Bescheinigung lägen nicht vor, da eine Neuberechnung vorgenommen werden müsse, um keine inhaltlich unrichtige Erklärung abzugeben. Es fehle auch der Nachweis einer rechtlich zulässigen Nutzung des Gebäudes, da nach dem vorgelegten Bauplan keine Wohnraumnutzung zulässig sei und für die Wohnung im Keller keine Baugenehmigung existiere.
13
Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben, da nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag der Beklagte auch die energetischen Nachweise schulde. Der Beklagte habe seine Pflicht zur Überprüfung der Baupläne mit den tatsächlichen Gegebenheiten vor der Erstellung der ursprünglichen Berechnung verletzt, so dass diese jetzt unrichtig sei. Da der Beklagte somit die Ursache der fehlerhaften Berechnung zu vertreten habe, müsse er gegebenenfalls eine Neuberechnung vornehmen, um die entsprechenden Voraussetzungen für die Richtigkeit der von ihm geschuldeten Erklärung zu schaffen. Auf Bedenken bezüglich der Unzulässigkeit der Wohnraumnutzung könne sich der Beklagte nicht berufen, da ihm diese aufgrund der Baupläne frühzeitig bekannt gewesen sei.
14
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der er im Wesentlichen geltend macht, der Kläger könne von ihm nicht die Abgabe einer inhaltlich unrichtigen Erklärung verlangen. Ergänzend trägt er vor, bei dem Pauschalhonorar von 250 € könnten zeitaufwendige Vor- bzw. Zusatzarbeiten wie die Überprüfung der Baupläne auf ihre Richtigkeit nicht enthalten sein. Die für die notwendige Aufmessung und Neuerstellung der Pläne erforderlichen Kosten wären vom Kläger ohnehin als Mehrkosten zu tragen gewesen. Das Gebäude entspreche von der Optik her den Bauplänen. Da nicht fest stehe, dass tatsächlich Neubau-Niveau erreicht werde, könne er nicht verpflichtet werden, gleichwohl eine Erklärung mit diesem Inhalt abzugeben.
15
Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Mainz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
17
Der Kläger beantragt,
18
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise,
19
den Beklagten zu verurteilen, aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten am streitigen Anwesen A.straße 19 in B. zu bestätigen, dass Neubau-Niveau nach EnEV erreicht wird, höchst hilfsweise,
20
den Beklagten zu verurteilen, seine Verpflichtung zur Erbringung der energetischen Nachweise aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten am streitigen Anwesen A.straße 19 in B. zu erfüllen,
21
hilfsweise für den Fall des Nichterreichens des Neubau-Niveaus nach EnEV-30 %
22
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, dass am Objekt des Klägers A.straße 19 in B. nach Durchführung der vom Beklagten geplanten und überwachten Maßnahmen nicht das „Neubau-Niveau nach EnEV-30 %“ erreicht wird.
23
Der Beklagte beantragt,
24
die Hilfsanträge zurückzuweisen.
25
Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag. Er ist der Auffassung, die Hilfsanträge seien als ein Weniger im Vergleich zum ursprünglichen Hauptantrag der Klage zulässig. Falls wegen der tatsächlichen Gegebenheiten das angestrebte Neubau-Niveau nach EnEV-30 % nicht erreicht werde, habe der Beklagte eben das tatsächlich erreichte Niveau zu bescheinigen.
26
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
27
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
28
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Abgabe der Erklärung des Beklagten auf der „Bestätigung des Sachverständigen und des ausreichenden Kreditinstituts nachDurchführung der Sanierung CO2-Gebäudesanierungsprogramm (130)“ nicht zu. Da unstreitig derzeit nicht feststeht, ob durch die an dem Gebäude des Klägers durchgeführten Maßnahmen das Neubau-Niveau nach EnEV bzw. Neubau-Niveau nach EnEV minus 30 % bzw. minus 50 % erreicht wurde, besteht keine Verpflichtung des Beklagten zur Abgabe einer Erklärung dieses Inhalts.
29
Der Kläger erstrebt von dem Beklagten die „Erklärung des Sachverständigen“ auf dem für den Erhalt von Fördermitteln der C. erforderlichen Vordruck (Bl. 29 d. A.) in der Form, dass der Beklagte durch Ankreuzen kenntlich machen soll, ob er im Bundesprogramm „Vor-Ort-Beratung“ oder vom Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. als Energieberater zugelassen oder eine nach § 21 EnEV ausstellungsberechtigte Person ist sowie seine Unterschrift leisten, seinen Stempel setzen sowie Ort und Datum der Erklärung angeben soll. Mit einem derartigen Ausfüllen des Vordrucks ist jedoch zugleich die auf dem Formular vorgedruckte Versicherung des Sachverständigen verbunden, dass die vorstehenden Angaben vollständig und richtig sind und dass der Sachverständige sie durch geeignete Unterlagen belegen kann (vgl. Bl. 29 d. A.). Daraus ergibt sich, dass die „Erklärung des Sachverständigen“ auch die Versicherung enthält, dass das Neubau-Niveau nach EnEV bzw. nach EnEV minus 30 % bzw. 50 % erreicht wurde. Eine Erklärung dieses Inhalts kann der Kläger jedoch von dem Beklagten nicht verlangen.
30
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte überhaupt aufgrund der beiden mit dem Kläger geschlossenen Verträge zur Erbringung energetischer Nachweise verpflichtet ist. Dies kann vorliegend jedoch dahinstehen, da selbst für den Fall, dass der Beklagte diese Nachweise schuldet, er jedenfalls derzeit nicht zur Abgabe der von dem Kläger verlangten Erklärung auf dem Vordruck der C. verpflichtet ist.
31
Diese Erklärung erfordert, sofern sich der Erklärende nicht wegen unrichtiger Angaben subventionserheblicher Tatsachen strafbar machen will, die Richtigkeit der Erklärung, dass das Neubau-Niveau nach EnEV bzw. nach EnEV minus 30 % bzw. 50 % erreicht wurde. Unstreitig sind die auf der Grundlage der Baupläne erstellten Berechnungen des Beklagten falsch, da die Pläne nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmen. Daher kann, was der Kläger nicht bestritten hat, derzeit nicht festgestellt werden, ob das Neubau-Niveau nach EnEV bzw. nach EnEV minus 30 % bzw. 50 % erreicht wurde. Der Beklagte müsste also bei Abgabe der vom Kläger verlangten Erklärung eine Versicherung abgeben, ohne deren Richtigkeit zu kennen und sich somit in die Gefahr einer strafbaren Handlung begeben. Dies kann von dem Beklagten nicht – auch nicht als vertragliche Nebenpflicht – gefordert werden.
32
Unerheblich ist hierbei, ob der Beklagte seine Unkenntnis durch eine Neuberechnung, gegebenenfalls nach einem Aufmaß des Gebäudes, beseitigen könnte oder er die Unrichtigkeit seiner Berechnungen zu vertreten hat, weil er diese hätte erkennen und den tatsächlichen Gegebenheiten hätte anpassen müssen. Diese Fragen betreffen den – insoweit streitigen – Umfang der vertraglichten Pflichten des Beklagten, der nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Aufgrund des Hauptklageantrags ist vorliegend allein Streitgegenstand die Verpflichtung des Beklagten zur Abgabe der „Erklärung des Sachverständigen“ auf dem Formular Nr. 140169 der C. (Bl. 29 d. A.).
33
Soweit der Kläger mit seinen nunmehrigen Hilfsanträgen auch vertragliche Pflichten des Beklagten zur Abgabe einer Sachverständigenbestätigung oder zur Erbringung energetischer Nachweise auf der Grundlage der tatsächlichen Gegebenheiten, hilfsweise die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Beklagten wegen Nichterfüllung dieser Pflichten zum Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits machen will, handelt es sich um eine gemäß § 533 ZPO nicht zuzulassende Klageänderung, in die der Beklagte auch nicht eingewilligt hat. Entgegen der Auffassung des Klägers stellen die Hilfsanträge kein „Weniger“ im Vergleich zu dem erstinstanzlichen Hauptantrag dar, sondern betreffen – wie dargelegt – einen anderen Lebenssachverhalt und damit einen anderen Streitgegenstand. Da die bisherigen Erkenntnisse des vorliegenden Rechtsstreits nicht zur Erledigung dieser neuen Anträge führen können, ist die Zulassung der Hilfsanträge auch nicht sachdienlich.
34
Auf die Berufung ist daher das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage ist vollumfänglich abzuweisen, da mangels eines Anspruchs des Klägers auf Abgabe der geforderten Erklärung des Beklagten auch kein Anspruch auf Ersatz der dem Kläger vorgerichtlich zur Verfolgung einer solchen Forderung entstandenen Rechtsanwaltskosten besteht.
35
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
36
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
37
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.000 € festgesetzt.