Freitag, 11. August 2017

Produkthaftung Wasserzähler / Urteil 2 O 325/11

Tenor:

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand:

Die Klägerin macht Produkthaftungsansprüche aus übergegangenem Recht geltend. Die Klägerin behauptet, Wohngebäudeversicherer der WEG K.straße, H, zu sein. Am 16.08.2008 habe es in dem Objekt einen Leitungswasserschaden gegeben, für den die Klägerin gegenüber ihren Versicherungsnehmern erforderliche Aufwendungen in Höhe von 19.063,07 € reguliert habe. Ursache für den Leitungswasseraustritt sei ein Bruch des Anschlussstücks in der von der Beklagten hergestellten Wasserzähler-Anschlussgarnitur gewesen. Das von der Beklagten im Jahr 2004 in Verkehr gebrachte und 2005 eingebaute Produkt sei konstruktionsbedingt fehlerhaft gewesen und habe nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprochen. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 19.063,07 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2010 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen, Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 09.08.12 (Bl. 251 ff.), 31.01.13 (Bl. 300 ff.) und 07.08.14 (Bl. 598 ff.) sowie das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. K v. 24.09.13 (Bl. 390 ff.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 1, 2 ProdHaftG sowie § 823 Abs. 1 BGB.

1) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Nach dem von der Beklagten nicht mehr angegriffenen Beweisergebnis ist die Klägerin Wohngebäudeversicherer der WEG Kstraße, H. Von der Beklagten werden nach den insoweit erfolgten Zeugenvernehmungen auch keine Zweifel mehr daran geltend gemacht, dass in diesem Objekt ein Wasserschaden aufgetreten ist, der seine Ursache in dem Bruch eines von der Beklagten hergestellten Anschlussstücks hatte. Die Beweisaufnahme hat zudem ergeben, dass das sachverständig untersuchte Anschlussstück mit dem gebrochenen Werkstück identisch ist, und dass die Klägerin die den Schadensfall betreffenden Handwerkerrechnungen beglichen hat.

2) Die Beklagte ist unstreitig Herstellerin der Wasserzähler-Anschlussgarnitur i.S.v. § 4 Abs. 1 ProdHaftG. Dem im Jahre 2004 in Verkehr gebrachten Produkt haftete ein Fehler i.S.v. § 3 ProdHaftG in Gestalt eines Konstruktionsfehlers an. Die Beklagte hat gegen ihre Pflicht verstoßen, bereits im Rahmen der Konstruktion diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Vermeidung einer konkreten Gefahr nach objektiven Maßstäben erforderlich und zumutbar waren (vgl. BGH NJW 2009, 2952). Der Sachverständige Dr. K hat hierzu ausgeführt, dass die durch die Vormontage im Werk entstandene Zugspannung zu stark für die Wanddicke des Anschlussstücks gewesen sei und deshalb zur Spannungsrisskorrosion geführt habe. Der Hersteller eines derartigen Produkts habe dafür Sorge zu tragen, dass bereits im Herstellungsprozess die bei der werkseitigen Montage auftretenden Zugspannungen nach einer seit 1985 geltenden Norm untersucht würden. Diese Untersuchung führe zu zuverlässigen Ergebnissen und hätte, wenn sie durchgeführt worden wäre, die Mangelhaftigkeit des Gewindestücks offenbart.

3) Die Ersatzpflicht der Herstellerin ist nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG ausgeschlossen.

a) Hierbei kommt es nicht darauf an, ob zum damaligen Zeitpunkt eine Neigung des verwendeten Materials zu interkristalliner Korrosion und interkristalliner Entzinkung bekannt gewesen ist, wovon nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht ausgegangen werden könnte. Denn die interkristalline Korrosion und die interkristalline Entzinkung waren nach sachverständiger Beurteilung nicht entscheidend für den Eintritt des Schadens.

b) Die Neigung des verwendeten Metalls zu Spannungsrisskorrosion war dagegen nach den Bekundungen des Sachverständigen seit Jahrzehnten bekannt. Es konnte zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts zudem erkannt werden, dass die Problematik der Spannungsrisskorrosion unabhängig von der Zusammensetzung des Trinkwassers bestand. Der Sachverständige hat hierzu auf gerichtliche Nachfrage ausgeführt, derartige Erkenntnisse hätten etwa seit der Jahrtausendwende vorgelegen. Bereits in einem Arbeitsblatt der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserhandwerks (DVGW) sei festgehalten worden, dass Spannungsrisskorrosion auch bei unbelasteten Trinkwasserverhältnissen entstehen könne. Im vorliegenden Streitfall ist das Produkt unstreitig im Jahre 2004 in Verkehr gebracht worden.

4)Der Konstruktionsfehler war zumindest mitursächlich für den Eintritt des Schadens. Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob (zusätzlich) ein Montagefehler des vor Ort tätigen Installateurs in Rede steht, kann im vorliegenden Streitfall einerseits offen bleiben und ist andererseits dahin zu beantworten, dass ein Installationsfehler unwahrscheinlich ist. Der Sachverständige hat hierzu im Termin zur mündlichen Verhandlung anschaulich geschildert und an den untersuchten Werkstücken demonstriert, dass keinerlei Anhaltspunkt für einen Installationsfehler vorhanden ist. Selbst wenn der Installateur vor Ort eine Mitverantwortung trüge, wäre dies für das Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits aber unerheblich, weil hierdurch die Mitursächlichkeit des Konstruktionsfehlers für den Schaden nicht entfiele und sich die Haftung der Beklagten dann aus § 840 BGB ergäbe. Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, dass im Parallelfall 2 O 6/12, in dem auf den Fotos vom Schadensort eine durch die Montage verursachte Biegespannung zu erkennen ist, die Hauptursache für das Materialversagen ebenfalls in der werkseitig verursachten Zugspannung zu suchen sei. Zudem hat der Sachverständige erklärt, der Konstrukteur eines solchen Produkts müsse ohnehin darauf achten, dass bei der Installation vor Ort weitere – letztlich durch die Konstruktion veranlasste – Erhöhungen der Zugspannung vermieden würden.

5) Die Ausführungen des Sachverständigen sind für das Gericht absolut plausibel und überzeugend. Der Sachverständige hat die gerichtlichen Nachfragen erschöpfend und gut verständlich beantwortet und seine Erkenntnisse im Termin zur mündlichen Verhandlung an den untersuchten Werkstücken demonstriert. Zudem stehen seine Ausführungen weitgehend in Übereinstimmung mit den außergerichtlich durch die Parteien eingeholten sachverständigen Stellungnahmen sowie den Ergebnissen der von anderen Gerichten veranlassten Gutachten, soweit sie dem erkennenden Gericht bekannt sind.

6) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich gleichermaßen eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB.

7) Das Gericht hat von der Möglichkeit eines Grundurteils gem. § 304 ZPO Gebrauch gemacht, weil die Höhe des Schadens streitig ist und eine weitere Beweisaufnahme gebietet.