Sonntag, 13. August 2017

Trinkwasser; Maßnahmen zur vorläufigen Reinhaltung; UV-Behandlung; Chlor

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin betreibt eine zentrale Wasserversorgungsanlage. Seit dem Jahr 2012 kam es immer wieder zu Verkeimungen des Wassers, die die vorgesehenen Grenzwerte überschritten. Im Mai 2013 baute die Antragstellerin eine UV-Anlage ein, die Verkeimungen des Wassers beseitigen oder vermeiden sollte.
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Nachdem eine Untersuchung vom 9. September 2013 ergab, dass auch nach einer UV-Behandlung des Wassers sich darin noch Enterokokken befanden, verpflichtete der Antragsgegner mit Bescheid vom 18. September 2013 die Antragstellerin, das Wasser aus der zentralen Wasserversorgungsanlage ab sofort bis zum Einbau einer Trinkwasseraufbereitungsanlage nach dem Stand der Technik und entsprechend der Trinkwasserverordnung mittels Chlor oder Chlordioxid zu desinfizieren (Nr. 1), zur Aufbereitung des Rohwassers gemäß § 5 der Trinkwasserverordnung nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Sinne eines möglichst vollständigen Rückhalts von Partikeln nach dem Multi-Barrieren-Prinzip einen Bakterienfilter einzubauen (Nr. 2), den Restchlorgehalt am Endstrang täglich zu messen, in einem Chlorungsprotokoll festzuhalten und dieses wöchentlich dem Antragsgegner vorzulegen (Nr. 3) und die Wasserabnehmer von der Anordnung unter Nr. 1 umgehend in Kenntnis zu setzen und den Verbrauchern mitzuteilen, dass das Wasser für den menschlichen Genuss nur im abgekochten Zustand verwendet werden darf (Nr. 4).
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Der Antragsgegner wies daraufhin, dass der Bescheid gemäß § 39 Abs. 2 i. V. m. § 16 Abs. 6 bis 8 IfSG kraft Gesetzes sofort vollziehbar sei.
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Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage zum Verwaltungsgericht, die dort unter dem Aktenzeichen M 18 K 13.4403 geführt wird und über die noch nicht entschieden ist.
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Gleichzeitig beantragte sie auch, die aufschiebende Wirkung dieser Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. September 2013 anzuordnen.
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Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. Oktober 2013 ab. Die Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Abkoch- und Chloranordnung sowie die Frage, welche Art der Wasseraufbereitung Stand der Technik sei und welche Aufbereitungs- oder Desinfektionsmaßnahmen welches Maß an zusätzlicher Keimreduktion erzielten, könnten nur in einem Hauptsacheverfahren geklärt werden. Vor diesem Hintergrund seien die Erfolgsaussichten der Klage als offen anzusehen und das Gericht habe daher eine davon unabhängige Güter- und Interessenabwägung zu treffen. Da die Gesundheit der von der Trinkwasseranlage versorgten Menschen ein besonders hohes Gut sei, müsse deren Gefährdung ausgeschlossen werden. Die Behörde sei bereits dann zum Einschreiten befugt, wenn ein durch Tatsachen erhärteter bloßer Verdacht bestehe, der eine Gesundheitsgefährdung als wahrscheinlich erscheinen lasse. Setze man den Vollzug der streitgegenständlichen Verfügungen aus, erwiesen sie sich aber im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig, so könnten in der Zwischenzeit schwerwiegende Schäden an einem hochwertigen Rechtsgut von Menschen, die mit dem Wasser aus der Trinkwasserversorgungsanlage der Antragstellerin in Kontakt kämen, eintreten. Blieben die Chlor- und Abkochanordnung dagegen sofort vollziehbar, erweise sie sich jedoch im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig, sei der Antragstellerin möglicherweise ein nicht unerheblicher Arbeits- und Kostenaufwand entstanden, der jedoch durch den jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit erreichten Schutz des Rechtsguts Gesundheit um ein Vielfaches aufgewogen werde und daher nicht so schwer wiege.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2013 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 18. September 2013 anzuordnen.
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Zur Begründung trug die Antragstellerin vor, dass nur eine einmalige Messung nach Behandlung des Wassers mit der UV-Anlage zu positiven Werten geführt habe. Die angesetzte Chlormenge für die hier angeordnete Dauerchlorung sei außerdem zu hoch. Hiernach solle das Wasser nach der Desinfektion 0,1 mg bis 0,3 mg freien Chlors pro Liter, am Endstand beim Verbraucher gemessen, enthalten. Die Trinkwasserverordnung sehe jedoch vor, dass maximal 0,3 mg Chlor pro Liter zugegeben werden dürften und sich am Endstrang, also bei der Messung, das Chlor verringere. Derart hohe Chlormengen ließen sich allenfalls dann rechtfertigen, wenn ein Problem im Netz bestehe. Hierum gehe es im vorliegenden Fall aber nicht. Zudem reichten die verfahrenstechnischen Kenndaten derzeit nicht aus, um ein Verfahrenskonzept zu erarbeiten. Hierfür benötige die Antragstellerin einen längeren Zeitraum. Sie habe bereits ein Gutachten in Auftrag gegeben. Hierzu müssten Referenzproben entnommen und dann ein Zeitplan erarbeitet werden. Nach Erstellung eines Verfahrenskonzeptes müsse dann in die detaillierte Planung eingetreten werden. Selbst wenn die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage als offen angesehen werden sollten, überwiege vorliegend jedenfalls das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Die Antragstellerin sei bestrebt, dem vorhandenen Problem mit dem Einsatz der UV-Anlage zu begegnen. In einem weiteren Schriftsatz vertiefte die Antragstellerin ihr Vorbringen mit einer genaueren Darlegung ihrer Vorstellungen, wie sie eine gesicherte und gesunde Trinkwasserversorgung nachhaltig sicherstellen könne.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Im Übrigen wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Die gemäß § 147 Abs. 1, § 146 Abs. 4 Satz 1 bis 3 VwGO zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der erstinstanziellen Entscheidung, die die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG, § 9 Abs. 4 der Verordnung für die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung-TrinkwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. August 2013 (BGBl. I S. 2977) gegründeten und gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbaren Bescheid des Antragsgegners vom 18. September 2013 abgelehnt hat. Das Verwaltungsgericht hat - allenfalls zugunsten der Antragstellerin vertretbar - die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache als offen beurteilt, aber aufgrund der dann gebotenen Interessenabwägung das Begehren der Antragstellerin abgelehnt. Auf die diesbezüglichen, durchwegs zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf den Seiten 21 unten bis 24 des angeführten Beschlusses nimmt der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug.
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Die dagegen von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwendungen vermögen diesen Standpunkt nicht zu entkräften.
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Ihr Hinweis, dass die Verkeimungen nach dem Einbau der UV-Anlage im Mai 2013, nämlich aufgrund der Untersuchung nach der UV-Behandlung vom 9. September 2013, nur einmal festgestellt wurden, ist nicht geeignet, die vom Antragsgegner gebotenen Sicherheitsmaßnahmen in Frage zu stellen. Denn die dort festgestellte Belastung weist das Trinkwasser der Antragstellerin nicht mehr als den Anforderungen der Trinkwasserverordnung genügend aus. Durch den Eintrag von Enterokokken ist nicht mehr auszuschließen, dass auch Krankheitserreger bereits in die Trinkwasserversorgung eingetragen worden sind oder jederzeit eingetragen werden können. Die zur Desinfektion eingebaute UV-Anlage kann Reinheit des Wassers nicht zuverlässig gewährleisten und sie ist nicht in der Lage, eine Verunreinigung mit Fäkalkeimen und damit den möglichen Eintrag von Krankheitserregern zu verhindern. Aktenkundige weitere Untersuchungen vom September 2013, deren Proben nach einer UV-Behandlung den bakteriologischen Anforderungen entsprechende Ergebnisse erzielt haben, rechtfertigen keine andere Sicht. Denn damit ist nicht dargetan, dass die UV-Behandlung eine sichere Desinfizierung des vor der UV-Behandlung regelmäßig unzulässig verkeimten Wassers bewirkt. Das ergibt sich auch aus der in Geretsried nach einer UV-Behandlung durchgeführten Wasseruntersuchung, die wegen des Nachweises von Enterokokken nach der UV-Behandlung eine zu beanstandende Probe ergab. Außerdem ergab eine Untersuchung bei der Antragstellerin am 12. November 2013 erneut einen Besatz des Wassers mit Enterokokken. Nicht - jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren - war zu klären, ob die UV-Anlage der Antragstellerin da in Betrieb war. Obendrein indiziert der nicht sicher gewährleistete und offenbar nicht durchgehend erfolgte Einsatz der UV-Anlage weitergehende Ungewissheiten, denen der Antragsgegner mit ihm zu Gebote stehenden und im Bescheid vom 18. September 2013 verfügten Mitteln begegnet.
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Die Bedenken der Antragstellerin, dass die gebotene Menge des Chloreinsatzes von 0,1 bis 0,3 mg pro Liter, am Endstrang beim Verbraucher gemessen, nur dann realisierbar sei, wenn beim Zusatz eine höhere und damit unzulässige Fracht eingebracht würde, greifen nicht durch. Denn selbst der vom Antragsgegner gebotene Höchstwert von 0,3 mg je Liter kann bis 0,6 mg je Liter gesteigert werden, wenn anders die Desinfektion nicht gewährleistet werden kann. Das ergibt sich aus Teil I c der Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß § 11 der TrinkwV (Stand November 2012) des Umweltbundesamtes.
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Der Vorschlag der Antragstellerin, eine Perspektive für eine gesicherte gesunde Wasserversorgung in ihrem Bereich in Zukunft zu entwickeln, mag zielführend sein. Hierfür sind aber nach ihrem eigenen Bekunden umfangreiche Maßnahmen erforderlich, die mindestens ein Jahr lang dauern werden. Es wäre aber nicht hinzunehmen, dass die Verwirklichung solcher Konzepte den hier inmitten stehenden Sofortmaßnahmen entgegenstünde.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges.