Samstag, 12. August 2017

Urteil 18 U 38/14 Heizlastberechnung DIN EN 12831

Tenor:

1.

Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers vom 16.4.2014 gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom 27.2.2014 durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2.

Der Antrag des Klägers vom 18.6.2014 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

3.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich der Ziff. 1 dieses Beschlusses binnen zwei Wochen ab Zugang.

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung des Klägers gemäß § 522 II S.1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordert. Der Senat hält das Fehlen von Erfolgsaussichten der Berufung für hinreichend deutlich („offensichtlich“, § 522 II Ziff. 1 ZPO). Soweit § 522 II ZPO als Sollvorschrift gefasst ist, besteht nach Auffassung des Senats keine Veranlassung, eine Ausnahmekonstellation von dem gesetzlichen Regelfall anzunehmen. Der Senat sieht auch keinen Anlass für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 522 II Ziff. 4 ZPO).

Die Berufung ist in der Sache ohne Erfolg, denn das angegriffene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 I, 546 ZPO) noch rechtfertigen die zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 513 I, 529 ZPO).

Der Kläger macht gegenüber dem Beklagten aus abgetretenem Recht werkvertragliche Gewährleistungsansprüche geltend. Er und seine damalige Ehefrau schlossen mit Herrn X einen Bauwerkvertrag, auf dessen Grundlage gegen Vergütung von € 135.000,- ein Wohnhaus gemäß Baubeschreibung errichtet wurde. Herr X beauftragte den Beklagten mit der Erstellung des Energieeinsparnachweises; die Heizungsanlage wurde durch die Fa. A hergestellt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des X trat der Insolvenzverwalter Ansprüche gegen den Beklagten wegen fehlerhafter Erstellung des Energieeinsparnachweises an den Kläger und dessen Ehefrau ab; letztere trat ihre Ansprüche an den Kläger ab. Der Kläger hat behauptet, der von dem Beklagten erstellte Energieeinsparnachweis sei fehlerhaft. Zu einer ausreichenden Beheizung des Gebäudes sei eine alleinige Abluft-Wärmepumpe nicht ausreichend, sondern zumindest neben der tatsächlich eingebauten Heizungsanlage die zusätzliche Installation eines Kaminofens erforderlich. Der Kläger hat einen Vorschuss auf die zu erwartenden Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht, Feststellung der Ersatzpflicht für bestehende und zukünftige Schäden sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Das Landgericht hat mit Urteil vom 27.2.2014 (Bl. 288 ff d.A.) festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den durch die Notwendigkeit zur Neuherstellung eines Energieeinsparnachweises zukünftig entstehenden Schaden zu ersetzen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Kläger greift diese Entscheidung mit seiner rechtzeitig eingelegten und innerhalb verlängerter Frist begründeten Berufung an. Er verfolgt unter der Beantragung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren den erstinstanzlich gestellten Feststellungsantrag im Übrigen sowie den Antrag auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten weiter und erhöht das weiterhin geltend gemachte Zahlungsbegehren.

Die Klage ist zulässig. Der Kläger stellt seinen Zahlungsantrag ausdrücklich als Vorschussforderung (Klageschrift vom 9.7.2012, S.3, Bl. 3 d.A.). In diesem Falle ist ein Feststellungsantrag bezüglich etwaiger weiterer Kosten an sich entbehrlich (BGH, NJW 2009, 60 [BGH 25.09.2008 - VII ZR 204/07]), aber nicht unzulässig (Schwenker in: Erman BGB, Kommentar, § 637 BGB, Rd.17). Dem Feststellungsantrag (§ 256 ZPO) steht auch nicht aus anderem Grunde das Fehlen eines Feststellunginteresses entgegen. Zum einen ist der Eintritt zukünftiger Schäden bereits im Hinblick auf die fortlaufend anfallenden Heizkosten sowie etwaige Einbauschäden möglich. Zum anderen kann der Kläger den bereits gegenwärtig eingetretenen Schaden nicht verlässlich beziffern.

Soweit der Kläger mit seinem Zahlungsantrag einen Vorschussanspruch geltend macht, ist seine Klage aber bereits grundsätzlichen Schlüssigkeitsbedenken ausgesetzt. Der Kläger geht gegen den Beklagten aus übergegangenem Recht des X bzw. der Insolvenzmasse vor. Da es sich bei der von dem Beklagten zu erbringenden Erstellung eines Energieeinsparnachweises um eine werkvertragliche Leistung handelt, ist zur rechtlichen Bewertung auf das werkvertragliche Sachmängelrecht abzustellen. Dieses sieht eine Vorschusspflicht des Werkunternehmers in § 637 III BGB vor. Nach dieser Vorschrift kann Vorschuss allerdings nur für solche Leistungen verlangt werden, die der Unternehmer selbst im Wege der Nacherfüllung ausführen dürfte (BGH, NJWRR 1997, 339, [BGH 24.10.1996 - VII ZR 98/94] m.w.N.). Damit besteht insbesondere gegenüber Planern, deren geistige Leistungen sich bereits im Bauwerk verkörpert haben, ein Vorschussanspruch nicht (Schwenker in: Erman BGB, Kommentar, 14. Aufl., § 637 BGB, Rd.11).

Unabhängig davon ist eine Haftung des Beklagten in dem für das Berufungsverfahren relevanten Bereich bereits dem Grunde nach zu verneinen. Dabei kann eine Fehlerhaftigkeit des Energieeinsparnachweises unterstellt werden.

Ein "Mangelschaden" hinsichtlich dessen Schadensersatz nach §§ 634 Ziff. 4, 281 BGB verlangt werden könnte, ist durch den Feststellungsausspruch des Landgerichts abgedeckt worden. Ein solcher liegt im Minderwert des Werks selbst und kann durch Nacherfüllung beseitigt werden.

Der Kläger macht im Übrigen geltend, der Fehler des Beklagten habe sich in dem errichteten Bauwerk niedergeschlagen. Dies stellt einen "Mangelfolgeschaden" dar, für den der Werkunternehmer ggf. nach den §§ 634 Ziff. 4, 280 BGB haftet.

Für eine werkvertragliche Haftung des Beklagten hinsichtlich eines Folgeschadens ist neben dem Mangel ein Zurechnungszusammenhang zwischen Werkmangel und Folgeschaden erforderlich, an dem es fehlt.

Dieser Zusammenhang setzt zunächst die Ursächlichkeit des Mangels für den Folgeschaden voraus. Insoweit ist keine Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne erforderlich, die in jedem Fall zu verneinen wäre. Vielmehr reicht es aus, dass sich der Folgeschaden auf Grund einer Willensentschließung entwickelt, wenn diese durch den haftungsbegründenden Mangel  ´herausgefordert´ wurde (sog. psychisch vermittelte Kausalität; z.B. Ebert in: Erman BGB, Kommentar, 14. Aufl., Vorbemerkung zu §§ 249–253, Rd. 58).

Weitere Voraussetzung ist das Bestehen eines Schutzzweckzusammenhangs, mit dem als wertendes Korrektiv eine unangemessene Haftungsausweitung vermieden werden soll. Dieser Zusammenhang liegt vor, wenn die verletzte Pflicht den Zweck hat, den Geschädigten gerade vor den zur Anspruchsbegründung herangezogenen Schäden zu bewahren (Kindl in: Erman BGB, Kommentar, 14. Aufl., § 311 BGB, Rd. 28).

Soweit ein Fehler in den Berechnungen des Beklagten zu der Auswahl einer ungeeigneten oder jedenfalls nicht vollständig geeigneten Heizungsanlage durch den Zeugen X geführt haben sollte, mag ein Kausalzusammenhang im Sinne eines Herausforderungsfalls (s. o. 3.4.2 b) zu bejahen sein. Es fehlt aber an dem Schutzzweckzusammenhang (s. o. 3.4.2 c).

Wie der Gerichtssachverständige in seinem Gutachten vom 6.6.2013 überzeugend dargelegt hat, bezweckt die Erstellung des Energieeinsparnachweises die Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht zum Nachweis der "energetischen Qualität" des Gebäudes im Zusammenhang mit der Erteilung einer Baugenehmigung (Gutachten S. 8). Der Nachweis dient nicht der Auswahl einer bestimmten Heizungsanlagenart oder der Ermittlung der Heizungsauslegung. Demgegenüber ist zur Ermittlung der erforderlichen Heizleistung eine gesonderte Berechnung anzustellen, die sog. Heizlastberechnung nach DIN EN 12831. Bei dieser Berechnung handelt es sich um einen eigenständigen Vorgang, der sich von der Erstellung des Energieeinsparnachweises neben der Zielrichtung auch dadurch unterscheidet, dass die Heizlastberechnung raumweise zu erfolgen hat und nicht in dem für den Energieeinsparnachweis maßgeblichen "Einzonen-Modell" (Gutachten S. 8).

Dementsprechend hatte die Pflicht des Beklagten zur Erstellung eines zutreffenden Energieeinsparnachweises nicht den Zweck, den Bauersteller vor der Wahl einer ungeeigneten Heizungsanlage zu bewahren.

Soweit der Gerichtssachverständige im Rahmen seiner Anhörung ausgeführt hat (Sitzungsprotokoll vom 26.8.2013, S. 4, Bl. 236 d.A.), er könne „sich schon vorstellen, dass da ein Heizungsbauer, der diesen Energiesparnachweis liest, dann schon danach guckt, welche Heizungsanlagen im Sinne von Wärmepumpen es nun gibt und diese dann danach auswählt“, stellt dies einen Randeffekt (´Reflex´) des Energieeinsparnachweises dar, der aber die Erforderlichkeit einer konkreten Heizlastberechnung nicht entfallen lässt. Da aus dem Energieeinsparnachweis „die Bauteilqualitäten, das sind die Wärmedurchgangszahlen der Bauteile ... übernommen“ (Gutachten S. 4) werden, mag erwogen werden können, ob der Energieeinsparnachweis den begleitenden Zweck hat, die Heizlastberechnung in diesem Bereich vorzubereiten. Denn es kann zu einem Fehler in der Heizlastberechnung kommen, wenn „die aus den EnEV-Nachweis übernommenen Wärmedurchgangszahlen unzutreffend wären“ (Gutachten a.a.O.). Dies ist nach den Feststellungen des Sachverständigen aber nicht der Fall. Denn dieser hat keinen Anhaltspunkt für die Annahme ermitteln können, dass der Beklagte unzutreffende Werte der Bauteilqualitäten einsetzte. Vielmehr weist der Sachverständige auf die Richtigkeit des von dem Beklagten errechneten Energiebedarfs für Heizung und Trinkwassererwärmung hin (Gutachten S. 5). Weisen aber Energieeinsparnachweis und Heizlastberechnung Gemeinsamkeiten nur im Bereich der zu Grunde gelegten Wärmedurchgangszahlen auf und sind die Annahmen des Beklagten in diesem Bereich zutreffend, kann nicht angenommen werden, dass sich ein Fehler des Beklagten in der Heizlastberechnung fortgesetzt haben soll.

Ein über den Ausspruch des landgerichtlichen Urteils hinausgehender Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus der Verletzung eines Beratungsvertrags. Denn es kann der Entscheidung bereits nicht zu Grunde gelegt werden, dass ein solcher Vertrag zwischen dem Zeugen X und dem Beklagten geschlossen wurde.

Ein ausdrücklicher Vertragsschluss ist nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung vorträgt, der Beklagte habe ihn bei der Wahl der Heizungsanlage beraten (Berufungsbegründung S. 3, Bl. 348 d.A.), hat er dahingehenden Vortrag bereits in erster Instanz mit der Behauptung gehalten, der Beklagte habe den Einsatz einer Abluft-Wärmepumpe vorgeschlagen (Sitzungsprotokoll vom 1.11.2012, S. 2, Bl. 49 d.A. und Schriftsatz vom 22.8.2013, S. 2, Bl. 231 d.A.). Die nunmehr in der Berufungsbegründung erfolgte Substantiierung des Klägervortrags lässt die Annahme eines durch schlüssiges Verhalten geschlossenen Beratungsvertrags allerdings nicht zu.

Der Kläger trägt insoweit vor, der Beklagte habe ihm Folgendes mitgeteilt:

„So könne man mit einer geeigneten Technik (z.B. durch den Einbau einer Abluft-Wärmepumpe mit kontrollierter Wohnraumlüftung) bei der Wärmedämmung des Objektes sparen und gleichzeitig unter Berücksichtigung der einschlägigen ENEV kostengünstig bauen“ (Berufungsbegründung S. 3, Bl. 348 d.A.).

Wie der Gerichtssachverständige im Rahmen seiner Anhörung mitgeteilt hat (Sitzungsprotokoll vom 26.8.2013, S. 4, Bl. 235 d.A.), hat keine Veranlassung bestanden, den Beklagten als „Experte(n) für auf dem Markt befindliche Arten von Heizungsanlagen“ zu betrachten. Seine nunmehr vorgetragenen Äußerungen bewegten sich bei Wahrunterstellung des Klägervortrags in einer Weise im Grundsätzlichen, dass auf ihrer Grundlage ein konkludent geschlossener Beratungsvertrag nicht angenommen werden kann.

Soweit der Kläger seine Klage im Zahlungsantrag erweitert, zwingt dies nicht zu einer mündlichen Verhandlung. Denn eine im Berufungsverfahren erfolgende Änderung des Klagebegehrens, eine Klageerweiterung, -beschränkung oder eine Widerklage schließt eine Beschlusszurückweisung nicht aus, weil der Berufungsführer sonst stets eine mündliche Verhandlung erzwingen könnte; diesbezüglich findet § 524 IV ZPO entsprechende Anwendung (Zöller-Heßler, Zivilprozessordnung, 30. Aufl., § 522 ZPO, Rd. 37).

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren ist in Ansehung der voranstehenden Ausführungen mangels Erfolgsaussicht zurückzuweisen, § 114 I ZPO.

Der Senat stellt anheim, die Berufung zurückzunehmen. Bei einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 II ZPO entstehen die gleichen Gerichtskosten wie bei der Zurückweisung durch ein begründetes Urteil (4,0 Gerichtsgebühren, vgl. KV Nr. 1220). Die Rücknahme der Berufung führt zu einer Reduzierung dieser Kosten (Ermäßigung auf 2,0 Gerichtsgebühren, vgl. KV Nr. 1222).