Sonntag, 13. August 2017

Wasserversorgungsanlage einer Wohnungseigentümergemeinschaft 20 CS 14.1663

Leitsätze:
1. Öffentlich-rechtlich gehören zur Wasserversorgungsanlage (Trinkwasserinstallation) die Gesamtheit der Rohrleitungen, Armaturen und Apparate, die sich zwischen dem Punkt des Übergangs von Trinkwasser aus einer öffentlichen Wasserversorgungsanlage an den Nutzer und den Punkt der Entnahme von Trinkwasser befinden.
(Leitsatz der Redaktion)
2. Immer dann, wenn auch nur eine einzige Eigentumswohnung in einer Wohnanlage vermietet ist, erfolgt die Trinkwasserversorgung insgesamt im Rahmen einer „gewerblichen“ Tätigkeit iSd Trinkwasserverordnung mit der Folge, dass die Gemeinschaft als Anlageninhaberin Adressatin behördlicher anlagenbezogener Anordnungen sein kann.
(Leitsatz der Redaktion)
3. Wasserarmaturen in den einzelnen Wohneinheiten einer Wohnungseigentumsanlage stehen nicht im Gemeinschafts-, sondern im Sondereigentum.
(Leitsatz der Redaktion)
4. Zur Bedeutung der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ im Bereich der Trinkwasserversorgung.
(Leitsatz der Redaktion)
5. Aus der Entscheidung des BGH vom 8.2.2013 (NZM 2013, 512 = NJW 2013, 3092) zum Einbau landesrechtlich vorgeschriebener Rauchmelder, wonach generell für Maßnahmen am Sondereigentum keine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer vorliegen soll, auch wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften diese Maßnahmen erfordern, folgt mit Blick auf die Gewährleistung einer hygienisch einwandfreien Trinkwasserversorgung nichts, weil hier auf die Besonderheiten der speziellen Vorschriften des bundesrechtlich angesiedelten Gesundheits- und des Infektionsschutzrechts abzustellen ist und weil die spezialgesetzlichen, in Ausformung des grundgesetzlichen Auftrags erlassenen Trinkwasservorschriften öffentlich-rechtlich nicht zwischen Gemeinschafts- und Sondereigentum unterscheiden.
(Leitsatz der Redaktion)
6. Aus § 17 V TrinkwV, wonach vermutet wird, dass Produkte und Verfahren die Anforderungen nach den Abs. 1 bis 3 erfüllen, wenn diese von einem für den Trinkwasserbereich akkreditierten Zertifizierer durch ein Zertifikat bestätigt wurden, kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass etwa Produkte wie Armaturen, welche keine Zertifizierung aufweisen, den Anforderungen der Trinkwasserverordnung nicht genügen. Eine Exklusivität für DVGW-zugelassene Produkte gibt es nicht, solange nicht gesichert ist, dass „no name-Produkte“ bzw. nicht gekennzeichnete Produkte die erforderlichen Standards nicht erfüllen. (Leitsatz der Redaktion)
Orientierungsätze:
Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren;
Wasserversorgungsanlage einer Wohnungseigentümergemeinschaft i.S.d. Trinkwasserverordnung;
Anordnungen zum Trinkwasserschutz, Adressat

Tenor

I.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. Juli 2014 wird geändert.
II.
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird auch gegenüber der Anordnung in Nr. I.3.5 des Bescheides des Antragsgegners vom 10. März 2014 angeordnet.
III.
Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt die Antragstellerin 1/11, der Antragsgegner 10/11. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner, die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit 51 Wohneinheiten, verteilt auf drei Gebäude. Deren Bewohner werden durch eine gemeinsame Trinkwassererwärmungs- und Trinkwasserleitungsanlage mit Trinkwasser versorgt.
2
Ein dem Landratsamt übermittelter Prüfbericht eines chemischen Labors vom 29. Oktober 2012 (Probenahme 16.10.2012) stellte in zwei Wohnungen der Wohnungseigentumsanlage Legionellen und weiter fest, dass die Trinkwassererwärmungs- und Trinkwasserleitungsanlage nicht die Anforderungen der Trinkwasserverordnung erfülle. Ein weiterer Prüfbericht vom 19. November 2012 (Probenahme 8.11.2012) fand Legionellen noch in einer Wohnung vor. Die von der Hausverwaltung unter dem 15. April 2013 vorgelegte Gefährdungsanalyse einer Fachfirma (erstellt im Zeitraum 27.12.2012-9.4.2013) schlug Sanierungsmaßnahmen für die Trinkwasserinstallation vor, um eine mögliche Legionellengefahr abzuwehren, um das Trinkwasser unumgänglich zu schützen und um schließlich das gesamte Trinkwassersystem zu optimieren.
3
Eine erneute Probenahme am 27. November 2013 (Prüfbericht vom 17.12.2013) ergab unter anderem in zwei Wohnungen Belastung mit Legionellen.
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Daraufhin ordnete das Landratsamt mit Bescheid vom 10. März 2014 gegenüber der Antragstellerin verschiedene Maßnahmen an. Einige sollten bis zum 25. Mai 2014 durchgeführt werden (Sofortmaßnahmen), einige mittelfristig bis 31. März 2015, darunter alle mit Epoxidharz beschichtete Leitungsabschnitte saniert (Nr. I.3.1) und die Armaturen in allen Wohnungen, an denen keine DVGW-Zulassung vorhanden ist, erneuert (Nr. I.3.5) werden. Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen wurde angeordnet, darüber hinaus Zwangsgelder angedroht.
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Dem Aussetzungsantrag der Antragstellerin gab das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 14. Juli 2014 insoweit statt, als es die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Maßnahme in Nr. I.3.1 anordnete. Im Übrigen lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab mit der Maßgabe, dass es die Frist zur Durchführung der Anordnungen unter Nr. I.1.1 bis I.7 und Nr. I.2 (Sofortmaßnahmen) bis 30. Oktober 2014 verlängerte.
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Hiergegen erhob die Antragstellerin Beschwerde, soweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen Nr. I.3.5 des angefochtenen Bescheides abgelehnt und die Kosten des erstinstanzlichen Eilverfahrens Antragstellerin und Antragsgegner je zur Hälfte aufgegeben worden waren. Die Antragstellerin als Wohnungseigentümergemeinschaft sei hinsichtlich der Erneuerung der Armaturen in den Wohnungen nicht der richtige Adressat. Etwaige Beschlüsse könnten keine Verfügungsbefugnisse über das Sondereigentum begründen und wären nichtig, auch wenn sie einstimmig ergingen und die jeweils betroffenen Sondereigentümer zustimmten. Sicherheitsrechtlich sei die Antragstellerin weder Handlungs- noch Zustandsstörer, außerdem nicht Inhaber einer Wasserversorgungsanlage im Sinne der Trinkwasserverordnung. Die sich an eine Sammel- oder Steigleitung nach dem Übergabepunkt anschließenden Installationen lägen allein im Eigentum und der Verantwortlichkeit des jeweiligen Wohnungseigentümers. Selbst wenn die in einzelnen Wohnungen vorhandenen Armaturen unzulässig sein sollten, gehe von diesen kein Nachteil für das Gemeinschaftseigentum oder das Sondereigentum anderer aus. Schließlich fehle es an Ermessenserwägungen für die Anordnung. Die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts setze eine falsche Kostenquote fest.
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Die Antragstellerin beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. I.3.5 des Bescheides vom 10. März 2014 anzuordnen und die Kosten des erstinstanzlichen Aussetzungsverfahrens ihr zu 1/11 und dem Antragsgegner zu 10/11 aufzuerlegen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Für die Adressatenauswahl komme es sicherheitsrechtlich nicht auf das Eigentum an den Armaturen an. Die Antragstellerin sei Inhaberin einer Wasserversorgungsanlage nach der Trinkwasserverordnung und nach dieser verantwortlich. Als Eigentümergemeinschaft habe sie Beschlusskompetenz und die Möglichkeit, den Austausch der Armaturen ohne DVGW-Zulassung zu veranlassen. Es bestehe eine Mitwirkungspflicht der Sondereigentümer. Es müsse auch verhindert werden, dass verunreinigtes Trinkwasser in das von der Antragstellerin betriebene Netz zurückfließe. Die Kostenentscheidung sei richtig gequotelt.
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Die Beigeladene, welche Teile der Rohrleitungen der Wohnanlage der Antragstellerin mit Epoxidharz ausgekleidet hatte, stellte keinen Antrag, wies aber darauf hin, dass es der Antragstellerin nicht möglich sei, den Austausch von Armaturen in Sondereigentum vornehmen zu lassen. Außerdem werde der Wohnungseigentümergemeinschaft etwas abverlangt, für das keine Rechtsgrundlage bestehe. Die Trinkwasserverordnung kenne keine Regelung, nach der Armaturen nur dann verwendet werden dürften, wenn sie eine DVGW-Zulassung aufwiesen. Außerdem habe diese Anordnung nichts mit der Bekämpfung von Legionellen zu tun.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie die vom Verwaltungsgericht beigezogenen Unterlagen verwiesen.
II.
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Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin (§ 146 Abs. 4 Satz 1 - 3, § 147 Abs. 1 VwGO) hat in der Sache auch Erfolg, führt zur Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. März 2014, soweit im Beschwerdeverfahren noch die sofortige Vollziehbarkeit der mittelfristigen Maßnahmen nach Nr. I.3.5 („Erneuerung der Armaturen in allen Wohnungen, an denen keine DVGW-Zulassung vorhanden ist“) angegriffen wird. Vieles spricht dafür, dass sich diese der Antragstellerin so aufgegebenen Maßnahmen als rechtswidrig erweisen werden.
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Sie sind von der Antragstellerin im Beschlusswege so nicht vollziehbar und gehen voraussichtlich über die Anforderungen hinaus, welche die Trinkwasserverordnung an die allgemein anerkannten Regeln der Technik stellt (vgl. § 17 Trinkwasserverordnung 2001 - TrinkwV - i. d. F. d. Bek. v. 2.8.2013 BGBl. I, 2977, zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 22 d. Gesetzes v. 7.8.2013 BGBl. I, 3154).
16
Soweit in diesem summarischen Verfahren ersichtlich, scheitert die Rechtmäßigkeit der strittigen Anordnung zur Erneuerung der Armaturen nicht schon an der Adressatenauswahl. Wie bereits das Verwaltungsgericht erläutert hat, kann die Antragstellerin als Wohnungseigentümergemeinschaft (auch) richtige Adressatin belastender Bescheide in Vollzug der Trinkwasserverordnung sein, weil sie gemäß § 3 Nr. 2e, Nr. 3 TrinkwV als Inhaberin einer Wasserversorgungsanlage im Sinn der Trinkwasserverordnung anzusehen ist. Darunter fallen solche Anlagen der Trinkwasserinstallation, aus denen Trinkwasser aus einer Anlage nach § 3 Nr. 2a (zentrale Wasserwerke) oder § 3 Nr. 2b (dezentrale kleine Wasserwerke) an Verbraucher abgegeben wird (ständige Wasserverteilung, vgl. § 3 Nr. 2e TrinkwV). „Trinkwasserinstallation“ wird definiert in § 3 Nr. 3 als die Gesamtheit der Rohrleitungen, Armaturen und Apparate, die sich zwischen dem Punkt des Übergangs von Trinkwasser aus einer Wasserversorgungsanlage an den Nutzer und dem Punkt der Entnahme von Trinkwasserbefinden. Eingeschlossen in die Trinkwasserinstallation sind demnach nicht nur die Leitungen, sondern auch sämtliche Armaturen und Apparate zwischen dem Punkt des Übergangs und dem Punkt der Entnahme. Letzterer ist diejenige Stelle im Rahmen der Versorgung mit Trinkwasser, an der die Bereitstellung endet und der Verbrauch beginnt (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Trinkwasserverordnung [C 430] § 3 Rn. 27 u. 30). Überzeugende Gesichtspunkte, dass die von der Wohnungseigentümergemeinschaft in den Gebäuden eingerichtete und betriebene Trinkwassererwärmungsanlage und Trinkwasserleitungsanlage, welche von einer kommunalen Wassereinrichtung gespeist wird, davon ausgenommen wäre, hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren weder schlüssig dargelegt noch waren solche ersichtlich.
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Wenn bei Planung, Bau und Betrieb die allgemein anerkannten Regeln der Technik Berücksichtigung finden, erfüllt eine solche Anlage die Anforderungen an Sicherheit und Hygiene nach § 17 Abs. 1 TrinkwV. Fehlt es daran, ist der Antragsgegner grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, gegenüber dem Unternehmer und sonstigen Inhaber einer solchen Anlage notwendige Maßnahmen nach § 39 Abs. 2, § 38 Abs. 1 und 2, § 16 Abs. 6 - 8 IfGS i.V.m. § 4 Abs. 1, § 9 Abs. 7 sowie § 16 Abs. 7 TrinkwV anzuordnen (zur Zuständigkeit des Landratsamtes vgl. § 3 Nr. 5 TrinkwV, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 GDVG, Art. 3 Abs. 1 BayVwVfG).
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Diese Anordnungen sind an den Unternehmer oder sonstigen Inhaber einer Wasserversorgungsanlage nach § 3 Nr. 2e TrinkwV zu richten. Insbesondere kann aufgegeben werden, Maßnahmen durchzuführen oder durchführen zu lassen, die nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher erforderlich sind (vgl. § 16 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 TrinkwV). Untersuchungspflichten auf Legionellen unterliegen der Unternehmer und der sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage nach § 3 Nr. 2d oder e TrinkwV, in der sich eine Großanlage zur Trinkwassererwärmung befindet, sofern sie Trinkwasser im Rahmen einer gewerblichen oder öffentlichen Tätigkeit abgeben (vgl. § 14 Abs. 3 Satz 1 TrinkwV). Unter gewerblicher Tätigkeit kann auch das Vermieten von Wohnungen einer Eigentumswohnanlage durch Eigentümer fallen. Nach § 3 Nr. 10 TrinkwV ist „gewerbliche Tätigkeit“ die unmittelbare oder mittelbare, zielgerichtete Trinkwasserbereitstellung im Rahmen einer Vermietung oder einer sonstigen selbständigen, regelmäßigen und in Gewinnerzielungsabsicht ausgeübten Tätigkeit. Darunter fallen auch private Kleinvermieter, die ihre Eigentumswohnungen anderen zum Gebrauch überlassen (s. die amtl. Begründung zur 1. ÄndV v. 5.3.2011 BGBl. I S. 378 BRats-Drucks. 530/10 Nr. 10; vgl. auch Böck/Pause, Erfüllung der Pflichten aus der Trinkwasserverordnung bei Wohnungseigentumsanlagen, ZWE 2013, 346 - beck-online -). Dafür, dass keine einzige Wohnung der Eigentumswohnanlage vermietet wäre, fehlt es an konkreten Darlegungen.
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Allerdings kann nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Wasserarmaturen in den Wohneinheiten nicht im Gemeinschaftseigentum, sondern im Sondereigentum (vgl. §§ 1, 5 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht - WEG, s. auch BGH, U. v. 26.10.2012 - VZR 57/12 - juris) befinden. Öffentlich-rechtlich gehören zur Wasserversorgungsanlage (Trinkwasserinstallation) die Gesamtheit der Rohrleitungen, Armaturen und Apparate, die sich zwischen dem Punkt des Übergangs von Trinkwasser aus einer öffentlichen Wasserversorgungsanlage an den Nutzer und den Punkt der Entnahme von Trinkwasser befinden (§ 3 Nr. 2e TrinkwV). Treten im Sinn der Trinkwasserverordnung relevante Störungen in der Trinkwasserinstallation auf, kann (auch) der Inhaber dieser Anlage sicherheits- und gesundheitsrechtlich in Anspruch genommen werden, weil eine rechtliche Pflicht zum Handeln besteht (vgl. BayVGH, B. v. 4.3.1997 Az. 24 CS 96.3366 = BayVBl. 1997, 502), und zwar auch in den Fällen, bei denen Störungen von Teilen der Anlage ausgehen können, die, wie hier im summarischen Verfahren ersichtlich, sich im Sondereigentum befinden, nämlich die Armaturen zur Wasserentnahme in den jeweiligen Wohnungen. Denn nur Versorgungsleitungen, die wesentliche Bestandteile des Gebäudes sind, stehen zwingend im Gemeinschaftseigentum, soweit sie im räumlichen Bereich des Gemeinschaftseigentums verlaufen. Dies gilt auch dann, wenn ein einzelner Leitungsstrang ausschließlich eine einzelne Wohnung versorgt (vgl. BGH, U. v. 26.10.2012 - V ZR 57/12 = ZWE 2013, 205 - beck-online -). Dafür, dass in der Eigentumswohnanlage der Antragstellerin andere Verhältnisse vorlägen (vgl. § 5 Abs. 3 WEG), waren konkrete Tatsachen weder vorgetragen worden noch ansonsten ersichtlich. Dem steht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U. v. 20.8.2007 - 23 B 07.1280) nicht entgegen, ging es doch dort um Kostenersatz für die Reparatur einer eigenständigen Hausanschlussleitung, welche von der öffentlichen Wasserleitung über ein im Gemeinschaftseigentum stehendes Grundstück zum Sondereigentum der Betroffenen an den Räumen einer Doppelhaushälfte verlief.
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Soweit ersichtlich scheitert die Anordnung von Maßnahmen nicht an der Beschlusskompetenz der Antragstellerin als Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie ist Inhaber der als Gemeinschaft gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Rechte und Pflichten (§ 10 Abs. 6 Satz 3 WEG), übt die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungsinhaber aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind (§ 10 Abs. 6 Satz 4 WEG). Nach § 14 Nr. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch den anderen Wohnungseigentümern über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst, nach Nr. 2 verpflichtet für die Einhaltung der in Nr. 1 bezeichneten Pflichten durch Personen zu sorgen, die seinem Hausstand oder Geschäftsbetrieb angehören oder denen er sonst die Benutzung der im Sonder- oder Miteigentum stehenden Grundstücks- oder Gebäudeteile überlässt, nach Nr. 3 verpflichtet Einwirkungen auf die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, soweit sie auf einem nach Nr. 1, 2 zulässigen Gebrauch beruhen. Nach § 15 Abs. 2 WEG können die Wohnungseigentümer, soweit nicht eine Vereinbarung nach § 15 Abs. 1 WEG entgegensteht, durch Stimmenmehrheit einen der Beschaffenheit der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechenden ordnungsgemäßen Gebrauch beschließen.
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Zu Störungen kann es kommen, wenn bei der Abgabe ungeeigneter Stoffe aus Armaturen in den Wohnungen an das TrinkwasserBiofilmbildungen und daraus resultierende mikrobielle Belastungen als Verunreinigungen zu besorgen sind, welche durch Rückfluss aus den Netzteilen der Wohnungseinheiten in das Verteilungsnetz der Gebäude gelangen können. Verstößt der einzelne Wohnungseigentümer gegen Vorschriften der Trinkwasserverordnung, indem er in seiner Wohnung Armaturen zur Wasserentnahme benutzt, welche nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik i.S.d. Trinkwasserversordnung (vgl. § 17 Abs. 1) entsprechen, und gefährdet er dadurch das Trinkwasser im Leitungssystem der Installationsanlage, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit insbesondere durch Krankheitserreger zu besorgen ist (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 TrinkwV), verstößt er auch gegen seine bereits aufgeführten Verpflichtungen nach § 14 WEG. Dem steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Februar 2013 - VZR 238/11 - juris - (Einbau landesrechtlich vorgeschriebener Rauchmelder) nicht entgegen, wonach generell für Maßnahmen am Sondereigentum keine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer vorliegen soll, auch wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften diese Maßnahmen erfordern, weil hier auf die Besonderheiten der speziellen Vorschriften des bundesrechtlich angesiedelten Gesundheits- und des Infektionsschutzrechtes (Art. 72, Art. 74 Nr. 19 GG), hier nämlich auf das Betreiben einer Wasserversorgungsanlage durch die Antragstellerin im Sinn der Trinkwasserverordnung, entscheidend abzustellen ist, deren Vorschriften zu einer „Wasserversorgungsanlage“ (hier § 3 Nr. 3) öffentlich-rechtlich eben nicht unterscheiden zwischen Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum.
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Jedoch spricht in diesem einstweiligen, auf summarische Prüfung ausgerichteten Rechtsschutzbegehren unter Berücksichtigung der Darlegungen der Antragstellerin einiges dafür, dass sich die hier noch im Streit stehende und der Antragstellerin aufgegebene Maßnahme der Erneuerung der Armaturen in allen Wohnungen, an denen keine DVGW-Zulassung vorhanden ist, als rechtswidrig, weil so nicht von der Antragstellerin im Beschlusswege vollziehbar und auch nicht von der Trinkwasserverordnung gedeckt, erweisen wird.
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Der Antragstellerin hätte etwa aufgegeben werden können, im Rahmen ihrer Beschlusskompetenz auf Sondereigentümer unter Fristsetzung hinzuwirken nachzuweisen, dass die in den einzelnen Wohnungen installierten Armaturen den allgemein anerkannten Regeln der Technik der Trinkwasserverordnung immer noch oder wieder entsprechen, andernfalls ins Auge gefasst werden müsste, die jeweilige Wohneinheit mit ihren Armaturen von der zur Wohnungseigentumsanlage gehörenden Trinkwasserinstallation (§ 3 Nr. 3 TrinkwV) abzutrennen und damit gleichzeitig von der Belieferung mit Trinkwasser auszunehmen, um Gefährdungen des Trinkwassers wirksam zu begegnen. Jedenfalls stellt sich die Anordnung „Erneuerung der Armaturen in allen Wohnungen, an denen keine DVGW-Zulassung vorhanden ist“, so unbestimmt und nicht als vollziehbar dar. Es erschließt sich nicht, warum in allen Wohnungen Armaturen, an denen keine DVGW-Zulassung vorhanden ist, schon deswegen erneuert werden müssen. Es können nämlich auch Armaturen in Gebrauch sein, welche ohne Prüfzeichen den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Sinn der Trinkwasserverordnung entsprechen. Aus § 17 Abs. 5 TrinkwV, wonach vermutet wird, dass Produkte und Verfahren die Anforderungen nach den Absätzen 1 - 3 erfüllen, wenn diese von einem für den Trinkwasserbereich akkreditierten Zertifizierer durch ein Zertifikat bestätigt wurden, kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass etwa Produkte wie Armaturen, welche keine Zertifizierung aufweisen, den Anforderungen der Trinkwasserverordnung nicht genügen. Nach § 17 Abs. 1 TrinkwV sind Anlagen für die Gewinnung, Aufbereitung oder Verteilung von Trinkwasser mindestens nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu planen, zu bauen und zu betreiben, nach § 17 Abs. 2 (i. d. F. v. 2.8.2013) dürfen Werkstoffe und Materialien, die für die Neuerrichtung oder Instandhaltung von Anlagen für die Gewinnung, Aufbereitung oder Verteilung von Trinkwasser verwendet werden und Kontakt mit Trinkwasser haben, nicht 1. den nach dieser Verordnung vorgesehenen Schutz der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar mindern, 2. den Geruch oder den Geschmack des Wassers nachteilig verändern oder 3. Stoffe in Mengen ins Trinkwasserabgeben, die größer sind als dies bei Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik unvermeidbar ist. Der Unternehmer oder sonstige Inhaber von Anlagen für die Gewinnung, Aufbereitung oder Verteilung von Trinkwasser haben sicherzustellen, dass bei der Neuerrichtung oder Instandhaltung nur Werkstoffe und Materialen verwendet werden, die den in Satz 1 genannten Anforderungen entsprechen (§ 17 Abs. 2 Satz 2 TrinkwV). Das Umweltbundesamt legt zur Konkretisierung der Anforderungen nach Abs. 2 Satz 1 Bewertungsgrundlagen fest (§ 17 Abs. 3), welche auch Positivlisten von Werkstoffen und Materialien enthalten können. Schließlich werden auch auf die Voraussetzungen nach Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 bezogene Prüfungen und Beurteilungen, die in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder in der Türkei durchgeführt worden sind, anerkannt (§ 17 Abs. 4 Satz 4 TrinkwV).
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Auch den der Begründung des Bescheides insoweit zugrunde gelegten Regelwerken lassen sich Einzelheiten für eine alleinige DVGW-Zulassung nicht entnehmen: Danach müssen Armaturen der DIN 1988-200 Nrn. 3.4.1 und 6.5 und DIN 1717 entsprechen. Entsprechen die Entnahmearmaturen in den einzelnen Wohnungen nicht diesen Anforderungen, sind sie auszutauschen, um den Stand der Technik zu entsprechen. Es sind nur Entnahmearmaturen mit Einzelsicherungen und gegebenenfalls einem Verbrühungsschutz einzusetzen (W 551 Ziff. 5.5.1, 8.3.3.1), so der Originaltext Nr. 13 der speziellen Begründung, Bl. 9 des streitigen Bescheides vom 10. März 2014. Die Gefährdungsanalyse der Fachfirma (erstellt vom 27.12.2012 bis 9.4.2013) basiert auf einem Begehungsprotokoll, ausweislich dessen ca. 100 St. Waschtischarmaturen vorliegen, „alle nicht geprüft“, Warmwasserarmaturen teilweise mit Einzelsicherung, Waschmaschinenanschlüsse mit teilweise falschen Armaturen (vgl. Anlage 10.1). Die Analyse teilt einerseits mit, dass in den überprüften Wohnungen keine Abweichungen von der Norm bei den verwendeten Armaturen hätten festgestellt werden können (S. 20 Nr. 3.4), bemängelt andererseits aber für eine bestimmte Wohnung, dass die dort eingebauten Entnahmearmaturen, hier Waschtischarmaturen, Bad- und WC- sowie die Bidet-Armatur keinem bekannten Hersteller zugeordnet werden konnten, und dass an den Armaturen-Anschlussschläuchen keine Produktzertifizierung bzw. keine Zulassung nach KTW-Anforderungen oder DVGW-Prüfzeichen nach W 270 erkannt werden konnten (S. 53 Nr. 5.1), was unter Nr. 8 „Vorschläge für Sanierungsmaßnahmen und erweiterte Untersuchungen“ zur Forderung Nr. 8.2 Ziff. 9 führte „Erneuern der Armaturen in den einzelnen Wohnungen, bei denen keine DVGW-Zulassung vorhanden ist“ (S. 69), die schließlich unverändert in Nr. I.3.5 des Tenors des streitgegenständlichen Bescheides übernommen wurde.
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Die vom Umweltbundesamt herausgegebene Leitlinie zur hygienischen Beurteilung von organischen Materialien im Kontakt mit Trinkwasser(KTW-Leitlinie, Stand 7.10.2008) misst sich keine Verbindlichkeit bei (vgl. Nr. 1.1), stellt dessen ungeachtet den „derzeitigen“ Stand von Wissenschaft und Technik hinsichtlich der hygienischen Anforderungen an organische Materialien in Kontakt mit Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasser) im Sinn der Trinkwasserverordnung dar, zählt veränderte Prüfmethoden auf, formuliert neue Prüfberichte und Einsatzberichte, Anforderungen an die Produkte und schließt mit der Anwendbarkeit und Vergabe von KTW-Prüfzeugnissen nach dieser Leitlinie, deren Geltungsdauer fünf Jahre beträgt. DIN 1988-200 Nr. 3.4.1 ist im Wortlaut teilidentisch mit § 17 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 TrinkwV, Nr. 6.5 fordert den Einbau von Armaturen nach verschiedenen DIN-Vorschriften und nach DVGW 574, schreibt die Positionierung von Entnahmearmaturen für kaltes und warmes Trinkwasser vor, die Kennzeichnung für erwärmtes Trinkwasser und lässt Schnellschluss-Armaturen wie z. B. Kugelhähne, nicht zu, wohingegen das Arbeitsblatt W551 (DVGW) April 2004 in Nr. 5.5.1 ausführt, es sollen nur Entnahmearmaturen mit Einzelsicherung und, wo gefordert, Verbrühungsschutz eingesetzt werden, und in Nr. 8.8.3.1 diese Ausführungen wiederholt. Zu einer Beurteilung der trinkwasserrechtlichen Legalität der Armaturen durch die Antragstellerin sind diese Verweisungen in der Bescheidsbegründung aber nicht hilfreich.
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Vor diesem Hintergrund ist - jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren - nicht ersichtlich, dass alle Armaturen erneuert werden müssten, an denen keine DVGW-Zulassung vorhanden ist, um den Vorgaben der Trinkwasserverordnung zu genügen.
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Ohne dass es noch entscheidungserheblich ins Gewicht gefallen wäre, geht aber auch die Antragstellerin davon aus, dass für Wasserentnahme-Armaturen in den einzelnen Wohnungseinheiten Renovierungsbedarf besteht. Denn ansonsten hätte sie die Kosten dieser Maßnahmen nicht mit 30.000,- Euro (durchschnittl. 588,- Euro für jede Wohneinheit) beziffert. Vielleicht gelingt es den Hauptbeteiligten im Hauptsacheverfahren, insoweit einen Stufenplan (zunächst Feststellung der sanierungsbedürftigen Armaturen in den einzelnen Wohnungen, sodann Aufgabe und Nachweis deren Erneuerung) zu erarbeiten und zu vereinbaren.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei sind auch die wirtschaftlichen Einzelinteressen (s. auch § 52 Abs. 1 GKG) der Antragstellerin zu berücksichtigen und im Verhältnis zum Gesamtstreitwert zu gewichten. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO), hat sie doch keinen Antrag gestellt und ist nicht ersichtlich, dass ihre rechtlichen Interessen im Beschwerdeverfahren berührt worden wären.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG. Das geltend gemachte wirtschaftliche Interesse (30.000,- Euro) wird auch im Beschwerdeverfahren halbiert.
30
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).