Montag, 6. November 2017

Hochtemperaturkorrosion (HTK) metallischer Werkstoffe

Hochtemperaturkorrosion (HTK) metallischer Werkstoffe

Unter HTK versteht man ganz allgemein die chemische Reaktion von Metallen mit einer
umgebenden Atmosphäre bei höherer Temperatur, die jedoch ohne die Einwirkung eines wässrigen
Elektrolyten erfolgt. Die HTK kann in vielfältiger Weise an metallischen Werkstoffen auftreten, die
hohen Temperaturen ausgesetzt und gleichzeitig von einem korrosiven Medium umgeben sind, wie

z.B. in Gasturbinen, Flugtriebwerksturbinen, Kohlevergasungs- und Dampferzeugungsanlagen.

Ursachen der Hochtemperaturkorrosion

Hervorgerufen wird die HTK häufig durch oxidierende Gase. Insbesondere Sauerstoff, Schwefeldioxid, Halogene, Ammoniak, aber auch heißer Wasserdampf sind zu nennen. Neben der bereits bei RT stattfindenden Schädigung metallischer Werkstoffe durch die sog. Wasserstoffversprödung kann Wasserstoff ebenfalls Hochtemperaturkorrosionseffekte bewirken. Verunreinigungen im Brennstoff oder z.B. bei Flugtriebwerken in der angesaugten Verbrennungsluft fördern gleichermaßen die HTK. So enthalten Schweröle z.B. Alkali- und Erdalkalisulfate sowie bis zu 0,1% das korrosionsfördernde Vanadium und Industrieluft etwa 5⋅10-4 % Natrium in Form von NaCl.

Auswirkungen der Hochtemperaturkorrosion

a) Verzunderung

Bei höheren Temperaturen (T > 500°C), z.B. während der Verarbeitung von Eisen- und Stahlwerkstoffen durch Schmiede-, Walz- und Härteprozesse, kann Luftsauerstoff mit Eisen unter

Bildung einer dünnen, vorwiegend aus Fe3O4 bestehenden Oxidschicht reagieren.

Derartig entstandene Korrosionsprodukte werden im Gegensatz zum Rost als Zunder bezeichnet.
Die Zunderschicht haftet bei nicht zunderfesten Stählen kaum auf der Metalloberfläche, sondern
blättert relativ leicht ab, was zur Folge hat, dass weiteres blankes Metall zum Vorschein kommt und
erneut dem Verzunderungsprozess unterliegt. Somit entstehen mit fortschreitender Hochtemperaturkorrosion Zunderverluste, die bei der Stahlproduktion bis zu 4% betragen können.

Zunderfeste Stähle erhält man insbesondere bei der Verwendung der Legierungskomponenten
Nickel, Chrom und Aluminium. Solche Stahlwerkstoffe bilden verhältnismäßig festhaftende
Zunderschichten aus und verhindern weitgehend das Fortschreiten dieser HTK.

b) Aufkohlung

Bei nichtrostenden und säurebeständigen Chrom-Nickel-Stählen kann es z.B. durch niedrigen
Sauerstoffgehalt in einer umgebenden Verbrennungsluft bei hohen Temperaturen zu einer
unerwünschten Aufkohlung (Carburieren) des Werkstoffs kommen.

Der Einbau von Kohlenstoff in das Metallgefüge durch Bildung von Eisencarbid (Zementit) bewirkt
in diesem Fall meist eine Verringerung der Korrosionsbeständigkeit des Stahls, was sich bei dieser
HTK in gewissen Versprödungserscheinungen, erhöhter Zunderanfälligkeit sowie stärkerer Neigung
zur interkristallinen Korrosion.

c) Einwirkung von Wasserstoff

Der schädigende Einfluss von Wasserstoff auf unlegierte und legierte Stähle kann schon bei RT
erfolgen. Durch Aufnahme von Wasserstoff in das Werkstoffgefüge entstehen mit einigen Übergangsmetallen interstitielle Hydride, die eine Aufweitung des Kristallgitters verursachen und zur
Versprödung des Werkstoffs (Wasserstoffversprödung) führen. Häufig reichen bereits geringe
Mengen Wasserstoff aus, um eine Beeinträchtigung der Festigkeit und des Bruchverhaltens beim

Werkstoff zu bewirken.

So kann sich z.B. aus H2O bzw. H3O+ bei galvanischen Beschichtungsvorgängen am Werkstück bei
kleiner H2-Überspannung Wasserstoff bilden, im Verlauf der elektrochemischen Korrosion Wasserstoff über die Säure- bzw. Wasserstoffkorrosion entstehen, oder aber aus anderen wasserstoffhaltigen Verbindungen (H2S, NH3, Kohlenwasserstoffe) das Gas unter bestimmten Reaktionsbedingungen freigesetzt werden.

In allen Fällen der Wasserstoffversprödung tritt zunächst an der entsprechenden Metalloberfläche
eine katalytische Spaltung der Wasserstoffmoleküle in atomaren Wasserstoff auf.

Die einzelnen Wasserstoffatome dringen anschließend in das Metallgitter ein und bilden mit dem
Metall meist nichtstöchiometrisch zusammengesetzte, sog. legierungsartige oder interstitielle
Hydride. Diese Verbindungen sind recht spröde und im Endeffekt verantwortlich für die Wasserstoffversprödung des Werkstoffs.

Hochtemperaturkorrosion infolge der Einwirkung von Wasserstoff beobachtet man vorwiegend an
Stahlwerkstoffen in Hochdrucksyntheseanlagen, in denen Wasserstoff bei höheren Temperaturen
(T > 250°C) und erhöhtem Druck umgesetzt wird, z.B. in der Petrochemie bei der Hydrierung ungesättigter Kohlenwasserstoffe, der Methanolerzeugung und der Ammoniaksynthese. Ein werkstoffschädigender Effekt ist dabei die Zersetzung des im Stahl vorhandenen Zementits unter Bildung von Methan.

d) Bildung leichtflüchtiger Zersetzungsprodukte

Kohlenmonoxid ist in vielen technischen Syntheseprozessen eine wichtige Ausgangsverbindung,
die häufig bei erhöhtem Druck eingesetzt wird. Unter bestimmten Reaktionsbedingungen können
Hochtemperaturkorrosionserscheinungen durch Kohlenmonoxid an niedrig legierten Stählen auftreten, indem eine teilweise Umsetzung des Eisens mit dem Kohlenmonoxid unter Komplexbildung zum leichtflüchtigen Pentacarbonyleisen(0) erfolgt.

e) Sulfatinduzierte Hochtemperaturkorrosion

Die sulfatinduzierte HTK findet im wesentlichen im Temperaturbereich zwischen etwa 700°C und
950°C an warmfesten metallischen Werkstoffen (sog. Superlegierungen) bei der Verbrennung
fossiler Brennstoffe durch die Bildung flüssiger Sulfate statt. Besonders in Gasturbinen, Flugtriebwerksturbinen und Kohlevergasungsanlagen erfolgt die korrosive Wirkung durch die Kondensation von Alkali- und Erdalkalimetallsulfaten auf den heißen Werkstoffoberflächen. Diese thermodynamisch stabilen Alkali- und Erdalkalisulfate kommen entweder direkt als Verunreinigungen in den fossilen Brennstoffen vor oder entstehen im Verlauf des Verbrennungsprozesses aus Natrium und schwefelhaltigen Brennstoffen. So kann z.B. das bei 884°C recht tiefschmelzende Natriumsulfat aus geringen Mengen Natriumoxid oder Natriumchlorid im Brennstoff und kleinen Schwefeldioxidkonzentrationen der Verbrennungsluft durch den katalytischen Einfluss des als winzige Verunreinigung im Brennstoff enthaltenen Vanadiumpentoxids gebildet werden.

Das Natriumsulfat kondensiert bei Temperaturen unterhalb von 950°C auf dem Werkstoff und führt
dort zur Entstehung eines tiefschmelzenden Eutektikums, so dass die Festigkeit des Werkstoffs
drastisch gesenkt wird, was letztlich den totalen Ausfall des entsprechenden Werkstücks bedeuten
kann. Diese, auch als „katastrophale Hochtemperaturkorrosion“ bezeichnete Erscheinung lässt sich
vermeiden durch das Aufbringen geeigneter Schutzschichten, z.B. Siliciumbeschichtungen bei
Werkstoffen auf der Basis von Nickellegierungen.

©  Marc Husmann   Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.